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Regina Appel | Kaffee Alt Wien, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Regina Appel

 

Das Kaffeehaus hat keine Aufgabe. Es muss nicht glänzen. Es drängt sich nicht auf. Es will einem nichts andrehen. Das Kaffeehaus ist eine Institution. Das ist sein Erfolgsrezept. Voller Demut betritt man es und hofft von ihm geduldet zu werden.

Es ist ein Raum, der einem immer offensteht. Den man glaubt bespielen zu können. Doch eher bestimmt und formt er uns.

In einem Stammcafé hat Zeit keine Bedeutung. Die Jahre vergehen, die Gäste bestehen. Das gute Kaffeehaus ändert sich nicht. Und doch ist kein Besuch gleich.

Es gibt zwei Arten von KaffeehausgängerInnen. Jene, deren Wohnzimmer leer sind und jene, auf die jemand wartet. Im Kaffeehaus sind sie alle gleich. Denn dort gilt das Gesetz der stillen Grenzen. Man schreit nicht einfach „Hey“ über die Tische. Man braucht einen Grund, um jemanden anzusprechen. Das macht sie aus, die Gemütlichkeit.

Das Kaffeehaus hält unsere Gedanken fest. Wir hängen sie an Kleiderständer, kleben sie unter Bierdeckel, verreiben sie auf Glastischen. Und beim nächsten Besuch sind sie wieder da, erwarten uns. Manche Gedanken verstecke ich besonders gut. Auf der Innenseite der Bar oder unter einem Stapel Speisekarten. Und andere schmeiße ich auf den Boden, warte, dass jemand darauf tritt und sie hinausträgt in die Stadt.

Jeder Mensch hat sein Kaffeehaus. Eines, das ihm am besten passt. Wie ein guter Schuh. Man muss ihn erst eingehen. Am Anfang drückt er, irgendwann passt er und dann will man ihn gar nicht mehr ausziehen. Er wird nicht kaputt. Man wächst nicht heraus. Oder etwa doch?

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Regina Appel: Literatur bietet mehr Erkenntnis als Information.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
RA: Die Möglichkeit die Anonymität in der Stadt zu reduzieren und sich in einem Sozialgefüge aufgehoben zu fühlen.

Warum hast du Kaffee Alt Wien ausgewählt?
RA: Das Alt Wien ist seit über zehn Jahren mein Stammlokal. Früher habe ich hier gelernt, dann gearbeitet. Jetzt komme ich zum Schreiben her.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
RA: Relativ viel. So viel Zeit verbringe ich nicht im Kaffeehaus.

 

BIO

Regina Appel wurde 1987 im nördlichen Waldviertel geboren und lebt in Wien. Studium der Medieninformatik an der TU Wien. Arbeitet als Webentwicklerin. Sie schreibt seit 2018 kurze Geschichten. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und diversen Anthologien. Sie arbeitet an ihrem ersten Roman.