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Claudia Bitter | Die Turnhalle, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Claudia Bitter

 

das Kaffeehaus ist kein Friedhof

wie der Löffel auf dem Silbertablett klirrt
wie die Zeitungshalter in einer Reihe liegen
wie die Adern der Marmorsteinplatte fließen
wie der Stoff der Polsterung vergilbt
wie die Billiardkugeln aneinander klacken
wie der Schaum auf dem Kaffee zerfällt
wie die Mehlspeisen aus der Vitrine grinsen
wie die Stille klar über den leeren Tischen schwebt
wie der Parkettboden unter den Kellnerschuhen knirscht
wie die Münzen in die Lederbörse rieseln
wie der Flaschenöffner die Kapsel abhebt
wie das Lachen auf der Schank liegenbleibt
wie die Lichtkugeln an der Decke verstauben
wie die Zeiger der Uhr sich von Zeit zu Zeit bewegen
wie Sonne und Wind draußen bleiben
wie Grüße kommen und gehen und bleiben und ausbleiben
wie man sich verliert in der weichen Koje
wie man sich verirrt im Tapetenmuster
wie man sich wiederfindet in den Spiegeln an der Wand

das Kaffeehaus ist kein Friedhof

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich? 
Claudia Bitter: Ein Ein- und Abtauchen.
Das Entdecken unbekannter und vertrauter Welten.
Ich finde mich.
Fragen und Bilder finden mich.
Faszination und Inspiration.
Geborgenheit in der Sprache.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
CB: In einem alten ruhigen Kaffeehaus auf einer weichen Polsterbank zu sitzen und ein weiches Ei mit einer Buttersemmel serviert zu bekommen, stimmt mich nahezu glücklich. Außer Zeitungsrascheln, Löffelklimpern und leisen freundlichen Stimmen ist nichts zu hören. Im Café kann ich gut zur Ruhe kommen und mich ordnen. Ich mache mir gerne Treffen im Café aus, wenn sie nicht allzu lange dauern.

Warum hast du Die Turnhalle ausgewählt?
CB: Ich wohne in der Nähe. Die Turnhalle hat als Teil der damaligen jüdischen Gemeinde eine interessante Geschichte. Ich mag den hohen Raum und die rohen unverputzten Mauern mit ihren zarten Strukturen. Der Garten ist eine Oase, da hab ich mich beim Frühstücksbrunch schon mal überessen.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
CB: Wenn ich nicht in der Bibliothek arbeite, bin ich sehr gerne in der Natur unterwegs, gehend sammle ich (Wörter im Kopf, Materialien in den Händen), außerdem mag ich es daheim zu sein (in der Stadt oder am Land) – wo ich etwas tue oder mich beim Nichtstun wohlfühle.

 

BIO

geboren in Oberösterreich, lebt in Wien, wo sie als Autorin (Lyrik und Prosa), Künstlerin (Schriftbilder, Naturschreiben, Collagen) und Bibliothekarin arbeitet
acht Buchveröffentlichungen: drei Prosa-, drei illustrierte Lyrikbände, ein Roman und zuletzt Die Heichzot, mit allem sazosugen, Edition Thurnhof 2022
diverse Preise und Stipendien, zuletzt Track 5 Sonderpreis der Schule für Dichtung 2021
Ausstellung: Die Sprache der Dinge: Literaturhaus Wien, 2020/2021
www.claudiabitter.at