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Sandrine Malika Charlemagne | Le Surcouf, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Sandrine Malika Charlemagne Übersetzung aus dem Französischen: Christiane Barabas & Daniela Gerlach

 

Ich sah ihm dabei zu, wie er sich irgendwie unbeholfen auf den hohen Hocker hievte, eine zarte Silhouette in seiner Lederjacke, die er trotz der prallen Sonne draußen trug. Er lehnte seinen Stock gegen die Theke, versuchte das Gleichgewicht zu finden. Seine mandelförmigen, gletscherfarbenen Augen kreuzten sich einen Augenblick, in dem ich glaubte, die Nostalgie einer Zeit flackern zu sehen, deren einziger Hüter er wäre, mit den meinen.
Die Sanftheit, die von diesem durch die Jahre gebleichten Gesicht ausging. Ein Einheimischer? Ich war ihm in dem Café noch nie begegnet. Er hatte das Profil eines Adlers, seine lichten, blassgrauen Haare in Flaumfedern. Den Rücken gebeugt, die Beine in seiner Hose aus grobem Stoff schlotternd, fixierte er einen Punkt in der Ferne. Der kleine Mann deutete ein Lächeln an, in seiner ruhigen Einsamkeit. Ich hatte plötzlich Lust auf ihn zuzugehen, seine Hand zu nehmen, die Wärme seiner Haut zwischen meinen Fingern zu spüren. Woran dachte er? Ich fragte mich, ob er merkte, dass ich ihn beobachtete. Und dann, das Trugbild des Lebens. Ich sah den Mann am Ausgang eines Bahnhofs auf einem alten Koffer sitzen, wo eilige Menschen an ihm vorbeiliefen, ohne ihn überhaupt zu sehen. Ich sah wie er die Hand ausstreckte. Auf eine Geste des Mitgefühls, des Wohlwollens, einer flüchtigen Freundschaft wartete. Aber nur die Vögel sammelten sich mit einem Anschein von Zuneigung um ihn. Er, auf seinem Koffer, mitten unter den Tauben, er lächelte, ein Lächeln, das die Feinheit seiner abgemagerten Züge zur Geltung brachte. Er lächelte dem Leben zu, das bald, wie in einem Buch, sich wieder über ihm schließen würde.

 


Interview mit der Autorin

Was kann Literatur?
Sandrine Malika Charlemagne: Sie zeigt Welten – vom Alltäglichsten bis zum Barocksten – sie hilft einem, sich zu konstruieren – wach zu bleiben – zu staunen – und manchmal heilt sie die leidende Seele. Sie ist auch der Ort des Geheimnisses. Eine Leinwand, auf der man tausendundeine Landschaft entdeckt. Mit der Literatur kommt man überall hin. Ein bisschen wie in einem Film. Die Figuren sind ewig. Man fühlt sich lebendig, wenn man liest. Man atmet anders. Man denkt anders. Man diversifiziert unseren Zugang zur Sprache. Vielleicht lieben wir auch anders.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
SMC: Durchgangsorte, wo man die Leute beobachten, ihrem Reden oder Schweigen zuhören kann. Von den Menschen um uns herum träumen. 

Wo fühlst du dich zu Hause?
SMC: Angesichts der Grenzenlosigkeit der Natur. Berge. Wälder. Wüsten. Ozeane.

 

BIO

Sandrine Malika Charlemagne begann eine Schauspielausbildung am Cours Nordey, spielte vor allem am Theater Gérard Philippe in Saint-Denis unter der Leitung von Jean-Claude Fall, schrieb Anastasia, das in France Culture gesendet wurde, veröffentlichte drei Romane, zwei Theaterstücke und zwei Gedichtbände,  leitete Workshops in Vitry-sur-Seine, Sevran-Beaudottes, Cergy-Saint-Christophe, Saint-Denis und reiste hier und dort herum. 
Die Stalkerin (Edition Velvet) erscheint im November 2023.

Kamel Bencheikh | Café de la Gare, Paris [2/2]

Foto: Alain Barbero | Text: Kamel Bencheikh Übersetzung aus dem Französischen: Andreas Unterweger

Diese Stadt, die meine vorbestimmte Umgebung bildet, faltet sich auf meinem Marsch wieder zusammen, sie gibt mir die Gelegenheit, sie zu durchdringen, als hätte sie sich in ein instabiles Nadelöhr verwandelt. Die Passerelle des Arts ist nun um die Vorhängeschlösser erleichtert, die unerschöpfliche Liebe verheißen. Die Rue de Seine, richtig benannt, wirft mich in die Arme des Boulevard Saint-Germain, wo die Lichter der Cafés das Getuschel der Menschen an den Tischen beleuchten.

Die Nacht ist feucht unter den fluoreszierenden Blicken der Veranden. Ich spreche von Helligkeit, während nur die Straßenlaternen die Gehsteige beleuchten. Die Sonne schenkt der Stadt selbst tagsüber nur selten ihre Fackeln. Der Star unter den Sternen neigt dazu, sich zu verstecken, wagt nicht, seine leuchtenden Stacheln zu zeigen. Im Norden aber nutzt der Hügel von Montmartre dieses Licht, um die Trauben an den Hängen des Clos des Saules zu adeln. Hier, auf den Anhöhen der Megacity, erinnert sich das moderne Babel an seine großzügigen, prophetischen Ländereien.

Der Aufstieg nach Ménilmontant durch die Rue Oberkampf ist für mich Atheisten der Aufstieg nach Golgotha. Der Regen hat angesichts meiner Hartnäckigkeit den Mut verloren, aber die Bewölkung der Nacht begleitet mich hingebungsvoll und still. Ist sie es, die mir jetzt gerade, während ich diesen Abschnitt schreibe, die Hand auf die Schulter legt? Ist sie es, die mich davon überzeugt, dass meine Einsamkeit ein Lob ist, das man gerne empfangen kann? Oder ist es der Ruf des Freitagabends, nicht jener des Gebets, sondern der Ruf eines kleinen Biers bei Akli im Café de la Gare mit meinem Freund Youcef?

Die Stadt begleitet mich bis zu den Buttes Chaumont wie eine verträumte und laute Freundin. Mein glühendes Gedächtnis kennt jede Windung dieser Straßen, in denen mich meine Schritte zu den erlahmenden Reklamen pilgern ließen. Jetzt muss ich noch ein Stückchen weiter hinauf, damit mein Rücken endlich auf dem grauen Sofa, das mich erwartet, Halt findet. Und dann wird mir der Blick auf den Montmartre als jenes strahlende Geschenk angeboten, das ich schon nicht mehr zu erhoffen wagte.

 


BIO

Kamel Bencheikh wurde in Sétif auf dem Hochplateau im Osten Algeriens geboren und lebt in Paris.
Er ist Lyriker und Autor von Kurzgeschichten und Romanen. Seine letzten Veröffentlichungen umfassen folgende literarischen Bereiche: Poètes algériens de langue française (Anthologie), La Reddition de l’hiver (Die Kapitulation des Winters. Erzählungen), L’Impasse (Die Sackgasse, Roman), Là où tu me désaltères (Wo du meinen Durst löschst, Gedichtband).
Seine Texte wurden in zahlreichen Zeitschriften veröffentlicht, darunter Promesses, Alif, Artère, Les Refusés, À l’Index, A littérature action, Écriture française dans le monde
Sein Roman Un si grand brasier (Ein so großes Inferno) und sein Essay L’Islamisme ou la crucifixion de l’Occident (Der Islamismus oder die Kreuzigung des Westens) erscheinen demnächst bei Frantz Fanon (Algerien) und Altava (Frankreich).
Er nahm an den Gemeinschaftsarbeiten La Révolution du sourire, (Die Revolution des Lächelns, éditions Frantz Fanon) und Les Années Boum (Die Jahre des Booms, Chihab éditions) teil. Außerdem ist er Kolumnist in mehreren Zeitungen und Zeitschriften wie Le Matin d’Algérie, L’Orient-Le Jour, Tribune Juive, Le Vif
Kamel Bencheikh gilt als Feminist und universalistischer Aktivist. Er war Initiator des Aufrufs zur Einführung des Laizismus in Algerien.

 

Kamel Bencheikh | Café de la Gare, Paris [1/2]

Foto: Alain Barbero | Text: Kamel Bencheikh Übersetzung aus dem Französischen: Andreas Unterweger

 

Als ich neulich durch die Straßen von Paris spazierte, fragte ich mich, wie ich die Gastfreundschaft dieser so verwundbaren Stadt beschreiben sollte. Nichts erlaubt es mir, sie abzuwägen, wenn sich kein bekanntes Gesicht in meinen Augen spiegelt. Die Stadt ist wie der Anspruch, sich auf die Bühne eines einzigen Theaters zu quetschen, sie ist der Anschein von beschäftigten Menschen, die grundlos herumrennen, sie ist ein Paar, das sich in der beruhigenden Milde des Abends an der Hand hält, die Terrassen der Cafés am Quai de Valmy, das tägliche Tohuwabohu. Die Stadt tut so, als würde sie dich mit dem Applaus empfangen, den du verdienst, du versuchst, ihr etwas Süßes ins Ohr zu flüstern und erhältst keine Antwort. Die tumultartige Stille ist ihre Art, dir zu antworten. Die Stadt flieht vor dir. Du hast keine andere Wahl, als ihr nachzulaufen. Ihr Himmel, ob regnerisch oder mit Fackeln bestückt, befindet sich immer und ewig am selben Ort – er hat sich eindeutig für das höchste Stockwerk entschieden!

Der Himmel stützt sich auf seine Stratuswolken oder auf die Funken seiner glorreichen Lampe, während die Pflastersteine, auf die du trittst, deinen Füßen entgleiten. Man stellt sich nie die Frage, warum der Himmel da hängt, während die Erde, wenn man lange auf ihr geht, wie ein Rollteppich nach hinten flieht. Die Gebäude verwandeln sich in urbane Berge, die Straßen in Schluchten. Die Melancholie gräbt ihre Furche tief in deine Brust, während du versuchst, diese vor dem Wind zu schützen. Das Lächeln auf den Gesichtern der Passanten wiegt die Strenge des Wetters nicht auf. Dieses Lächeln spiegelt die stillschweigende Zustimmung der nach Geschwätz gierenden Bürger wider. Die Blicke der Unbekannten verraten den Gemütszustand der Stadt eben so genau wie das Plätschern der Kanäle. Wahre Dichter verlangen nicht nach Begleitung. Vielleicht bin ich kein wahrer Dichter. Ich schreibe über Gefühle, die mir die Nacht bringt, deren gedämpfte Dunkelheit die glänzenden Treppen der Rue de Crimée umschließt. Ich durchquere allein die Stadt, von der Höhe von Belleville kerzengerade abwärts, bis ich, mit der Pupille, den gewaltigen Fluss berühre, der die beiden Ufer trennt. Von einem Ende meines Weges zum anderen derselbe Lichtschein: er vervielfacht sich, je weiter ich gehe. Haufen von Dunkelheit, gefallen von einem komatösen Himmel, erobern die Ecken der Parks. Es könnte sein, dass es meine Einsamkeit ist, die mich bestraft und die mir Lektionen erteilt.

Fortsetzung folgt…

 


Kurzinterview mit dem Autor

Was kann Literatur?
Kamel Bencheikh: Man tritt in die Literatur ein wie in einen Kampf. Worte sind für mich wie ein Überlebensanzug. Ich schreibe, um nicht in die Knie zu gehen, um das Unannehmbare nicht zu akzeptieren. Worte sind wie ein Schlag in den Bauch der Bestie. Die Literatur kann Frauen und Männer von dem sich abzeichnenden Unausweichlichen befreien. Literatur ist zweifellos der Sieg des Lichts über die Dunkelheit.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
KB: Cafés sind die Heimat derjenigen, die nur mit solchen, die ihnen ähnlich sind, sozialisieren können, ein Ort, an dem man allein sein kann, aber trotzdem von Menschen umgeben ist. Und sie sind auch der Ort, an dem man seine Mitmenschen trifft, seine anderen Ichs, um Neuigkeiten, Schulterklopfen, brüderliche Umarmungen und Emotionen auszutauschen.

Wo fühlst du dich zu Hause?
KB: Ich fühle mich überall dort zu Hause, wo ich unverfälschte Luft atme, wo Freiheit nicht vermarktet wird, wo das Recht, zu sagen, was einem in den Sinn kommt, garantiert ist. Ich bin überall dort zu Hause, wo der Laizismus die absolute Regel ist, wo die republikanischen Werte nicht nur in die Luft geworfene Worte sind, sondern eine greifbare Realität, an der man sich jeden Tag misst.

 

BIO

Kamel Bencheikh wurde in Sétif auf dem Hochplateau im Osten Algeriens geboren und lebt in Paris.
Er ist Lyriker und Autor von Kurzgeschichten und Romanen. Seine letzten Veröffentlichungen umfassen folgende literarischen Bereiche: Poètes algériens de langue française (Anthologie), La Reddition de l’hiver (Die Kapitulation des Winters. Erzählungen), L’Impasse (Die Sackgasse, Roman), Là où tu me désaltères (Wo du meinen Durst löschst, Gedichtband).
Seine Texte wurden in zahlreichen Zeitschriften veröffentlicht, darunter Promesses, Alif, Artère, Les Refusés, À l’Index, A littérature action, Écriture française dans le monde
Sein Roman Un si grand brasier (Ein so großes Inferno) und sein Essay L’Islamisme ou la crucifixion de l’Occident (Der Islamismus oder die Kreuzigung des Westens) erscheinen demnächst bei Frantz Fanon (Algerien) und Altava (Frankreich).
Er nahm an den Gemeinschaftsarbeiten La Révolution du sourire, (Die Revolution des Lächelns, éditions Frantz Fanon) und Les Années Boum (Die Jahre des Booms, Chihab éditions) teil. Außerdem ist er Kolumnist in mehreren Zeitungen und Zeitschriften wie Le Matin d’Algérie, L’Orient-Le Jour, Tribune Juive, Le Vif
Kamel Bencheikh gilt als Feminist und universalistischer Aktivist. Er war Initiator des Aufrufs zur Einführung des Laizismus in Algerien.

Dominique Manotti | Corso Quai de Seine, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Dominique Manotti Übersetzung aus dem Französischen: Georg Renöckl

 

Als François Mitterrand, der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, 1981 unter allgemeinem Jubel und nach zwanzig Jahren heftiger sozialer und politischer Kämpfe in Frankreich zum Präsidenten der Französischen Republik gewählt wurde, hatte ich sofort den Eindruck, dass diese Wahlen der Linken den Todesstoß versetzten, und das auf Dauer. Jedesmal, wenn ich diese Erinnerung bei einer Diskussion oder einem Treffen erwähne, reagieren meine Gesprächspartner ungläubig. Und dennoch… Ich bin aus der Generation, die den Algerienkrieg erlebt hat. Dieser Krieg hat mich ein für alle Mal verstehen lassen, dass man nicht darauf vertrauen darf, was die Leute und die Organisationen sagen, in der Politik und anderswo, sondern darauf, was sie tun. Als François Mitterrand an die Macht kam, kannte ich seine Rolle als Unterstützer der kolonialen Expansion Frankreichs und seine gewichtige Rolle im Algerienkrieg sehr genau. 1956 stimmt er für die Sonderbefugnisse der französischen Armee auf algerischem Boden und öffnet dadurch eine Büchse der Pandora. Die bösen Geister, die ihr entschlüpft sind, plagen unsere Gesellschaft noch immer. In den Sechziger- und Siebzigerjahren habe ich mich stark im gewerkschaftlichen Milieu Frankreichs engagiert, überzeugt davon, dass wir dabei waren, die Welt zu verändern. Und ich war nicht allein. Ich kannte daher, durch meine Erfahrung in der Gewerkschaft, die tiefe Ignoranz des sozialistischen Parteiapparats gegenüber den sozialen Kämpfen für eine Erneuerung, die das Land erschütterten. Für mich war klar, dass die Machtübernahme und die riesige kollektive Begeisterung, die sie ausgelöst hatte, schwer an der totgeschwiegenen kolonialistischen Vergangenheit zu tragen hatten und außerdem eine echte Verwurzelung in den sozialen Kämpfen fehlte, sodass alles in einer Sackgasse und in Verdrossenheit enden würde. Ich war verzweifelt, habe mein Engagement aufgegeben, Bilanz gezogen und ein Jahrzehnt später damit begonnen, Romane zu schreiben um zu erzählen, wie meine Generation gescheitert ist. Romans noirs natürlich – immer erzählen, was die Leute machen, und nicht, was sie sagen.

 


Interview mit der Autorin

Was kann Literatur ?
Dominique Manotti: Es ist schwer, auf eine so allgemeine Frage zu antworten. In meiner Jugend haben mir die Romane, die ich verschlungen habe, die Welt eröffnet. Ich habe Figuren kennengelernt, mit denen ich jahrelang Gespräche geführt habe. Sie haben mich zu lieben und zu hassen gelehrt. Ich habe sie immer wieder getroffen, und sie haben mir dabei geholfen zu verstehen, wer ich war. Wenn ich jetzt ein Romanthema wähle, wenn ich zu schreiben beginne, dann mache ich das, um die Ereignisse, von denen ich erzähle, zu verstehen, sie zu vertiefen, um einen Dialog mit den Männern und Frauen, die mich lesen, zu beginnen.

Welche Bedeutung haben Cafés für Sie?
DM: Das Café Corso, gleich bei mir ums Eck, liegt am Bassin de la Villette, einem der schönsten Plätze von Paris. Immer, wenn ich es sehe, bin ich glücklich. Dieses Café bezeichnet sich als „Pariser Café mit dem Geschmack Italiens“ – alles, was ich liebe. Und gleich daneben ist ein Kino, in das ich oft gehe. Durch den amerikanischen Film noir habe ich den Roman noir entdeckt, das Kino beeinflusst mein Schreiben, ich liebe das Kino. Ich wünsche dem Café Corso, wo ich mich mit Freunden treffe um zu plaudern und über die Filme zu sprechen, die wir uns gerade gegönnt haben, noch viele Jahre.

Wo fühlen Sie sich zu Hause?
DM: In meiner Wohnung.

 

BIO

Geboren 1942 in Paris. Unterrichtete Geschichte zuerst im Gymnasium, später an den Universitäten Vincennes und Paris VIII. Seit ihrer Jugend politisch engagiert, zuerst für die Unabhängigkeit Algeriens, später, in den Sechziger- und Siebzigerjahren, in verschiedenen Bewegungen und Gewerkschaften, später schließlich Romanautorin. Debüt 1995 mit Sombre Sentier (Hartes Pflaster,2004). Sie hat 13 Romane geschrieben, die alle auf Deutsch und teilweise auf Italienisch, Englisch, Spanisch, Katalanisch, Türkisch, Griechisch, Rumänisch und Russisch übersetzt wurden.

Website: dominiquemanotti.com

Baya Streiff | Le Murmure fracassant, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Baya Streiff | Übersetzung aus dem Französischen: Georg Renöckl

 

Alles beginnt mit einem Ende der Nacht wie ein Schattentheater, mit seinen weißen Wolken, die aussehen wie Hängeleuchten. Ist es der schwere Duft der Buchsbaumblüten, der das Nasenloch packt, oder diese schlichte Freude, den Klang dieser Klarinette aus der Métro entwischen zu hören, die mich dazu bringt, meine Schritte auf dem lockeren Pflaster laut hallen zu lassen? Die Stadt frohlockt. Die Luft verströmt einen berauschenden Duft nach warmer Brioche. Überall, auf dem Asphalt, ein Festspiel bunter Silhouetten, wie ein riesiges Kaleidoskop. Darüber tirilieren hunderte Vögel ihre fröhliche Morgenkantante. In den Gastgärten schwadronieren Großsprecher schon vor ihren Schönen. Auf dem Tisch, vergessen, laue Cocktails … Gegengenüber laufen ängstliche Menschen in alle Richtungen über den Boulevard, wie geköpfte Hühner. Einem Floristen begegnen, vor dem sich alte Blumenstrauß-Auskenner anstellen, mit Händen wie Marionettenspieler, in widerstreitenden Erinnerungen verloren. Draußen der Himmel, wie eine Kuppel. Von wo mir dieses Bedürfnis kommt, ein wenig im lüsternen Frühlingslicht zu bummeln, bevor ich mich endlich hinsetze, schlotternden Herzens, um mir den ersten Kaffee des Morgens in der Bar „Le Murmure fracassant“ schmecken zu lassen.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was kann die Literatur?
Baya Streiff: Die Literatur hat mich seit jeher begleitet. Sie verleiht dem Leben Eleganz und ist außerdem eine treue Freundin. Schreiben ist ein bisschen wie rückwärtsgehen, um die Zeit umzukehren… Die Literatur lässt mich an einen Riss in der Zeit denken, der alle Geschichten möglich macht.


Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
BS: Die Cafés stehen für die glücklichen Stunden, oft auch für die des Wartens. Manchmal kann dieses Warten quälend werden und sich in eine Ungeduld verwandeln, die mich durchschüttelt und die mir gefällt. Es ist schwindelerregend zu sehen, wie eine Abwesenheit den Raum einnehmen kann. In diesen Momenten wollen meine Gedanken nicht dorthin, wo ich sie haben will!


Wo fühlst du dich zuhause ?
BS: Hier in diesem Café, in dem sich die ganze Unruhe der Stadt verabredet zu haben scheint. Alles Gemurmel der Welt ist hier vereint. Es wirkt auf mich wie eine Pforte des Möglichen. Man kann Bücher lesen oder seine Schallplatte mitbringen, um für Stimmung im Café zu sorgen. Ich habe hier schon Bücher verlassen oder welche gefunden, auf der Bank im Stich gelassen. Sein traumhaftes Universum gefällt mir, mit seinen monumentalen Toren des Paradieses, der Hölle und der Abgründe. Alles regt hier zum Träumen an und kitzelt die Phantasie.

 

BIO

Baya Streiff arbeitet in Paris bei der Jugendgerichtshilfe. Ihre Leidenschaft fürs Reisen, die Photographie und die Literatur speisen ihre Phantasie und ihre romanhafte Sicht auf das Leben.
Ihr erster Roman « Les hasards exagérés » („Die übertriebenen Zufälle“), bei den Éditions du 7e Ciel veröffentlicht, zeichnet die Geschichte Monas nach, in der sich Geheimnisse und Gewissensbisse andeuten und uns von hier nach dort auf dem Schachbrett des Lebens führen, um auf den weißen und schwarzen Feldern des Wegs zur Reife voranzuschreiten. Dieser Roman fragt danach, wie man die Desillusionierungen des Erwachsenenalters vorausahnen kann.
Das Buch fiel dem Regisseur Philippe Faucon auf, der es verfilmen wird.

Elsa Flageul | Bistro Chantefable, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Elsa Flageul | Übersetzung aus dem Französischen: Daniela Gerlach

 

Unmöglich, in Cafés zu schreiben.
Unter Menschen zu schreiben. Mit der Musik zu schreiben, mit dem Radio, mit meinen Kindern. Unmöglich die Worte und Menschen zu verquirlen, die Worte und die Gespräche, das Geräusch der Kaffeemaschine, die herausgeputzte Bedienung, die Mamas ad libitum, die kleinen Kümmernisse, die zu trösten sind. Das Leben auf der einen Seite, die Worte auf der anderen. Und dabei müssen die Worte am Leben saugen, es greifen, es erwarten; sie müssen an der Straßenecke lauern, so mit einem Hauch von bösem Jungen, von bösem Mädchen: gib mir alles was du hast, los, erzähl mir alles was du weißt, was du sonst niemandem sagst, vor allem das, was du niemandem sagst, ey verdammt, worauf wartest du noch. Worte wie losgelassene Hunde. Die täglich Nahrung brauchen, vernebelte und vom Leben gebeutelte Morgen, fiebrige Abende und Körper, die sich finden, Entzücken und Gewitterstürme, die angeschwemmte Zeit auf dem Gesicht, auf der Brust, auf dem Herzen.
Die tägliche Nahrung.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Elsa Flageul: Die gemütliche Einsamkeit des Lesens, und die nicht immer gemütliche, aber stets geliebte Einsamkeit des Schreibens.

Was bedeuten dir Cafés?
EF: Orte der Wärme, der Freude und der verlorenen Zeit.

Warum hast du das Bistro Chantefable ausgewählt?
EF: Weil ich die Pariser Brasserien liebe, die ich vielleicht wegen der Filme von Claude Sautet bevorzuge, und das Le Chantefable ist, außer eine typische Brasserie zu sein und in der Nähe meiner Wohnung zu liegen, voller Menschen, die so warmherzig wie der Ort selbst sind.

Was machst du, wenn du nicht in Cafés bist?
EF: Ich schreibe, ich kümmere mich um meine Kinder, ich lebe.

 

BIO

Elsa Flageul ist Schriftstellerin und lebt in Paris, wo sie auch geboren wurde. Sie hat sechs Romane im Julliard Verlag, danach im Mialet-Barrault Verlag veröffentlicht. Ihr letzter Roman „Hôtel du bord des larmes“ ist im März 2021 erschienen. Zur Zeit arbeitet sie an ihrem nächsten Roman.

Blog Entropy, Barbara Rieger, Alain Barbero, Marcelo Lapuente Mahl, Café A, Paris

Marcelo Lapuente Mahl | Café A, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Marcelo Lapuente Mahl
Übersetzung:  Murillo Cândido de Sousa & Daniela Gerlach

 

Ich schlafe ein

Meine Schläfen pochen
Die schwere Brille nehme ich ab
und lege sie langsam
auf den Tisch

Die kurzsichtigen Augen
formen unscharfe Bilder
Leute erzählen unwichtige Geschichten
über ihre Abenteuer in der Welt

Ungeduldig
trommle ich mit den Fingerspitzen
auf die dunkle Holzplatte
Eins, zwei, drei …
Eins, zwei, drei …
und ich weiß, es ist schon spät

Nur noch eine Tasse Kaffee
und endlich bin ich
eingeschlafen.

(Paris, Nov/Dez 2021)

 

Original (Portugiesisch)


Eu adormeço

Minhas têmporas latejam
Retiro os óculos pesados
e os coloco lentamente
sobre a mesa

Nos olhos míopes
se forjam imagens desfocadas
Pessoas dizendo histórias sem importância
sobre suas aventuras pelo mundo

Impaciente
bato com a ponta dos dedos
no tampo de madeira escura
Um, dois, três…
Um, dois, três…
e sei que já é tarde

Só mais uma xícara de café
e eu finalmente
adormeço.

(Paris, nov/déc 2021)

 


Kurzinterview mit dem Autor

Was bedeutet Literatur für dich?
Marcelo Lapuente Mahl: Auf diese Frage sind mehrere Antworten möglich. Ich mag den Gedanken, dass Literatur die komplexeste Manifestation einer Sprache ist. Im Falle der portugiesischen Sprache haben wir wunderbare Beispiele dafür: Fernando Pessoa, Carlos Drummond de Andrade, João Guimarães Rosa, Jorge Amado, Clarisse Lispector, Mia Couto, Pepetela, José Saramago… Die in Portugiesisch geschaffene Literatur ist eine unendliche Welt, die meine Bewunderung erregt.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
MLM: Cafés sind Orte der Zusammenkunft. Ich fühle mich wohl in einem gemütlichen und geselligen Café, wo man über das Leben nachdenken, Pläne für die Zukunft schmieden oder einfach die Zeit verstreichen lassen kann. Für mich repräsentieren Cafés eine der wichtigsten Einrichtungen des modernen urbanen Lebens.

Warum hast du das Café A ausgewählt?
MLM: Das Café A befindet sich in den Räumlichkeiten der Résidence Les Récollets, ein demokratischer Ort, der ausländische Künstler und Forscher in Paris willkommen heißt. Diese pluralistische Bestimmung des Raumes macht das Wesen des Café A aus. Hier kann man mit Journalisten, bildenden Künstlern, Professoren, Fotografen, Schriftstellern, Filmemachern und Musikern diskutieren, um sich über Ideen, Projekte und Visionen auszutauschen. Eine ideale Umgebung, um die Vielfalt der Welt zu beobachten.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
MLM: Wenn ich nicht mit meinen Freunden zusammen bin, widme ich mich der Lehrtätigkeit und den Verwaltungsangelegenheiten an der Universität. Aber ich habe immer Zeit einen Kaffee auf dem Campus zu nehmen. Ich habe das Glück, in einer Region zu arbeiten, in der ausgezeichneter Kaffee hergestellt wird, und die Liebhaber dieses Getränks, wie ich, profitieren täglich davon.

 

BIO

Marcelo Lapuente Mahl, Brasilianer, ist Geschichtsforscher und Dichter. Er ist Professor an der Bundesuniversität von Uberlândia im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais und unterrichtet Geschichte und Journalismus. Neben der akademischen Arbeit ist er Autor mehrerer Gedichtbände, darunter „Fogo Fátuo – combustão espontânea“ (2020), „Entre Ruínas – imagens de Herculano e Pompeia – uma arqueologia poética“ (2022) sowie „É hora de sentir“, das sich an ein jüngeres Publikum richtet. In Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Alterjor entwickelte Marcelo Lapuente Mahl außerdem das Projekt Audiolivropoesia www.usp.br/alterjor/.

 

 

 

 

 

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Barbara Peveling | Café la Coopérative, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Barbara Peveling

 

stein sein

wenn ich sagen könnte,
steine wandern in der nacht
& wer ihren weg weist
hat einen wunsch frei.

was für eine vergeudung
an erdoberfläche wo
nebelwände schwebend blühen,
aller anziehungskraft zum trotz.

in dieser verschwommenen perspektive
erkenne ich ein leben,
das nicht mir gehört.

wolken ziehen vorüber
ich winke, es wird
ein langer abschied.

die steinzeit ist
die längste
periode unserer geschichte.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich? 
Barbara Peveling: Literatur ist die Luft, die mein Gehirn zum Atmen braucht.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
BP: Cafés sind eine gute Sache. In Cafés kann man schreiben, lesen, Leute treffen und leckere Sachen verzehren, das Beste: man muss nicht aufräumen.

Warum hast du Café La Coopérative ausgewählt?
BP: La Coopérative steht für mich für die Vereinbarkeit von Literatur und kreativer Elternschaft. Hier gehen mein Partner und ich hin, wenn wir unsere Kinder in dem wunderbaren Musée en Herbe für einen Besuch oder ein Atelier abgegeben haben. 

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
BP: Muttersein und Schreibe

 

BIO

Dr. Barbara Peveling, Autorin und Anthropologin. Ihr Roman „Wir Glückpilze“ erschien 2009 im Verlag Nagel und Kimche, der Roman „Rachid Rebellion“ 2017 im Goldegg Verlag. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien. Zusammen mit Nikola Richter gab sie 2021 die Anthologie „Kinderkriegen“ in der Edition Nautilus heraus. Barbara Peveling ist Redaktionsmitglied des Blogs otherwriters.de und des Podcast Medusa spricht.

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Christian Szabo | Verse Toujours, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Christian Szabo (Christone), Auszug aus dem Lied „It’s up to you“ | Übersetzung aus dem Französischen: Iris Harlammert

 

They just go to work endless hours a day
Without givin’ a damn, it’s not their way.
Bein’ indifferent, they won’t even try,
Watchin’ life is just passing by.

But you, you had a dream once.
So make it come true.

 


Kurzinterview mit dem Autor

Was bedeutet Literatur für dich?
Christian Szabo: Meine Mutter ist Professorin für Literatur, so ist das Schreiben für mich immer präsent gewesen, von frühester Jugend an bis heute. Als Musiker betreibe ich eine bestimmte Form des Schreibens mittels der Texte und meiner Lieder, die ich auf Englisch schreibe.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
CS: Sie sind untrennbar mit Büchern verbunden. Ich suche gerne Cafés auf, um mich in ein Buch zu vertiefen. Ich reise viel und das Erste, was ich mache, wenn ich in einer Stadt ankomme ist, mir mein Café zu suchen, wie eine Oase. Wenn ich dorthin zurückkomme, finde ich meine Orientierung wieder, bin bekannt wie ein Stammgast. Ein „home away from home“. Die ersten Erinnerungen an eine Stadt sind oft die Erinnerungen an ein Café. Die Erwähnung von Salzburg zum Beispiel erinnert mich an das, was ich in den Cafés dort gehört habe.

Warum hast du das „Verse Toujours“ ausgewählt?
CS: Das ist mein Stammcafé, der Ort wo ich jeden Tag hingehe. Ich mag die Dekoration, typisch für die französischen Cafés mit ihren Referenzen an das Kino und an die Literatur. Ein echtes Café des Viertels an der Ecke meiner Straße, in einem der liebenswerten Ecken von Paris in der Nähe des Jardin des Plantes. Die Kellner kennen mich gut, ich bin sehr lokalpatriotisch im 5. Arrondissement.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
CS: Ich gebe Konzerte und zwischen den Konzerten reise ich und finde andere Cafés.

 

BIO

Christian Szabo hat immer davon geträumt Musik zu machen. Seine Leidenschaft hat ihn auch nicht verlassen, als er sich mit einem Diplom in Ökonomie in der Tasche in Monaco niedergelassen hat. In Paris hat er – unter dem Namen Christone – begonnen Konzerte zu geben. Als Liebhaber des Reisens nimmt er seine Musik immer mit, nach Brasilien, Spanien und Indonesien, er ist immer am Spielen, immer am Schreiben. Sein Song „Another Chance“ hat große Beachtung gefunden, seitdem nimmt er mit Defy Records in New York  auf. Neue Veröffentlichungen stehen unmittelbar bevor.

https://www.christonemusic.com/

Blog Entropy, Barbara Rieger, Alain Barbero, Philippe Mari, Café des Auteurs, Bistrot, Café, Paris

Philippe Mari | Le Café des Auteurs, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Philippe Mari | Übersetzung aus dem Französischen: Iris Harlammert & Martine Bernardin

 

Ein Café auf der Suche nach Autoren.

Ende der 90er Jahre war ich an der Gründung des Cafés im „Haus der Autoren“ in der Rue Ballu im 9. Arrondissement von Paris beteiligt. Als Drehbuchautor von TV-Serien und interaktiven Videospielen gehörte ich in dieser Zeit dem „Conseil d´administration de la Société des Auteurs et Compositeurs Dramatiques“ an, diesem renommierten Haus, das 1770 von Beaumarchais gegründet und später von Victor Hugo höchstpersönlich geleitet wurde.

Gerade als Sohn eines Bistrobesitzers hat man mich um eine Stellungnahme zur Organisation eines Cafés gebeten, das gleichzeitig ein gemütlicher Ort der Begegnung und ein geeigneter Arbeitsplatz für die Entwicklung von Projekten in den Bereichen der darstellenden Kunst und des Audiovisuellen sein soll. Ein echtes Café, aber ausschließlich für Autoren. Also brachte ich einige Vorgaben zu Papier, davon ausgehend, dass ein Schriftsteller ein Gast wie jeder andere ist, sobald er sich an einen Tisch gegenüber der Bar hinsetzt, bereit etwas zu verzehren.

Anscheinend war die Wette riskant: am Tag nach der Eröffnung fanden sich die ersten Ankömmlinge, ausgerüstet mit ihren Laptops, verstreut an den Tischen sitzend wieder, wahrhafte Pioniere dessen was sich heutzutage Co-Working nennt, auf ihren Tastaturen klimpernd, sich aus dem Augenwinkel belauernd, mit dem unangenehmen Gefühl in der Filmszene aus „Le Fantôme de la Liberté“ von Bunuel mitzuspielen, in der die Gäste in einem Salon versammelt sind, wo jeder auf einem Toilettensitz Platz genommen hat.

Unter dem Blick von anderen Schriftstellern zu schreiben war damals noch beinah obszön und es hat einige Jahre gebraucht, bis sie ihr literarisches Schamgefühl überwinden konnten.

Wenn es Sie heute danach dürstet, dort an einem Tisch ein paar Zeilen zu schreiben, dann empfehle ich Ihnen zu reservieren.

 


Interview mit dem Autor

Was bedeutet Literatur für dich?
Philippe Mari: Ohne Literatur gibt es keinen Austausch, weder über den individuellen Blick auf die Welt noch über das Erleben jeden Bewusstseins, die zwei Komponenten, die unsere Zugehörigkeit zur Menschheit ausmachen. Die Literatur ist, wie die Mehrheit der höheren Künste, die letzte Bastion des Geistes gegen die künstliche Intelligenz.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
PM: Das Kaffeehaus ist der Lebensmittelpunkt meiner Kindheit. Ich habe dort mehr Zeit in kurzen Hosen bei den Hausaufgaben verbracht, als jetzt als Schriftsteller vor dem leeren Blatt Papier.

Warum hast du das Café im „Haus der Autoren“ ausgewählt?
PM: Dieses Café ist dort vor 20 Jahren entstanden, wo vorher eine leerstehende Polizeistation war. Ich empfinde es als Sieg der Kultur über die Polizei, mit der Notwendigkeit eines Tages zu einem Geständnis zu gelangen.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
PM: Ich reihe die Stunden aneinander, bis die Zeit gekommen ist, mich an den Tisch, der mich empfängt, zu setzen, damit aus dem unterwegs mit vielversprechenden Eindrücken vollgesaugten Schwamm ein brauchbarer literarischer Saft herausfließt.

 

BIO

Philippe Mari war Drehbuchautor von zahlreichen Videospielen für Konsole und Internet sowie von vielen TV-Serien. Schließlich kam er wieder zurück zum Papier und veröffentlichte Erzählungen wie „Tch tch tchtt“ oder „L´Homme qui ne pouvait pas mourir“ (Der Mann der nicht sterben konnte), derzeit arbeitet er am Roman „La Dame au Taliban“.