Cordula Simon | Skurril Café Bar, Graz

Foto: Alain Barbero | Text: Cordula Simon

 

Das skurril ist nicht skurril, es ist das Unskurrilste, was es hier zu finden gibt: Der Kaffee ist gut, das Frühstück ist gut, die Drinks sind gut. Skurril, was soll das schon sein? Es ist mitten in Geidorf, dem Viertel der Studenten und Hofratswitwen, auch das, keine Skurrilität. Professoren wie Einwohner des Bezirkes kommen hier zusammen. Das Bica gegenüber hat in den letzten zehn Jahren gefühlt dreimal zugemacht und wurde immer wieder verkauft. Im Churchill, auch gegenüber, ist es zwar schick, aber eine Bar und kein Café. Im Skurril, wie damals im Alchimiya, bringt man mir den ersten Kaffee schon ungefragt. Die gute Seele des skurril weiß. Sie liegt niemals falsch. Das Einstein? Das Liebig? Mehrfache Besitzerwechsel. Ein Kaffeehaus in das man regelmäßig geht kann doch nicht ständig großen Änderungen unterworfen sein – wie kann man einen Stammplatz haben, wie diesen hier, vor der großen Scheibe, wenn sich die Möbel ständig ändern. Das Kaffeehäferl? Gibt es nicht mehr. Auf der anderen Seite der Uni? In der Zinzendorf? Auch nicht anders als hier in der Heinrich: Ein Kommen und Gehen. Dazwischen: Fotter? Harrach? Sonstwas? Die gibt es schon lange, aber. Aber: So viele Kaffeehäuser, doch sobald die Studenten weg sind, zack, alles geschlossen! Schon während des Semesters Sonntag alles dicht, weil alle heim zu Mami fahren. Samstagvormittag frühstücken gehen? Viel Glück! Nur das skurril, auf das skurril ist Verlass. Das skurril hat auch Tage an denen es geschlossen ist: Jeden ersten Jänner. Sonst ist das skurril da. Das skurril lässt dich nicht im Stich. Du weißt nicht wohin mit dir? Du willst ins Kaffeehaus, weil du zum Alleinsein die Kulisse der anderen Menschen willst? Stunden durch die Scheibe auf die Straße schauen? Hunde, Spaziergänger, Einkäufer? Alles andere hier ist unstet im Taumel, nur nicht dieses. Skurril, nicht?

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was kann Literatur?
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
Wo fühlst du dich zu Hause?

Cordula Simon: Literatur kann uns einander näher bringen, mit schönen Elementen hässlich gesagt und hässlichen Elementen schön gesagt konfrontieren und durch den Bruch mit dem Gewöhnlichen unsere Augen öffnen für Gefühle, Ansichten und Welten anderer. Dabei zeigt Literatur immer wieder, dass wir alle gar nicht so unterschiedlich sind. Egal wohin ich fahre, ich lerne die Cafés kennen. Meine ersten beiden Bücher habe ich im Café Alchimiya auf der Deribasovskaya in Odessa geschrieben. Dort habe ich mich zu Hause gefühlt. Ich habe aber auch gelernt, dass ich mich überall zu Hause fühlen kann, wohin ich meinen Kopf bette, habe ich nur die richtigen Menschen um mich. Ob in Deutschland, Sri Lanka oder sonstwo, das hat sich stets bestätigt. Das gesagt habend: Ich bin noch nie, ob in den Cafés oder anderen Orten, falschen Menschen begegnet, alle waren sie zumindest echt, so wie die Gefühle, Ansichten und Welten in der Literatur – Dort bin ich zu Hause. Weltweit.

 

BIO

Cordula Simon, geb. 27.3.1986 in Graz, bis 2011 Studium der deutschen und russischen Philologie sowie Gender Studies in Graz und Odessa. Workshopleiterin der Jugend-Literatur-Werkstatt Graz. Bis 2014 als freie Autorin wohnhaft in Odessa, nun wieder tätig in Graz. Mitglied der GAV. Mitglied des ACIPSS mit Schwerpunkt der wissenschaftlichen Tätigkeit auf Medienlinguistik, Medialer Literarizität und Radikalisierungspräventionim digitalen Raum. Nebenberufliche Mitarbeit bei Bestattung PIUS Graz. Zahlreiche literarische und wissenschaftliche Veröffentlichungen, Preise und Stipendien. Zuletzt erschienen: Die Wölfe von Pripyat (Roman, Residenz 2022).