Pia Petersen | La Belle Hortense, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Pia Petersen | Übersetzung aus dem Französischen: Yla von Dach

 

Vor der Belle Hortense diskutieren die Leute miteinander, ihr Glas in der Hand. Einige rauchen. Drinnen ist die Bar brechend voll. Hinter der Theke ist Brigitte sehr damit beschäftigt, alle zu bedienen, A hilft ihr dabei. Sie nimmt sich immer Zeit, mich zu begrüssen., genau wie A, der zwischen dem Petit Fer à Cheval und der Belle Hortense hin- und her pendelt. Das Lokal ist winzig, langgezogen, links vom Eingang die Bar mit Weinflaschen bis zur Decke und rechts die Bücherregale, ebenfalls bis zur Decke. Davor zwei Bistrot-Tische. 
An den Wänden Fotos der Ausstellung von David Turnley. Die Barhocker sind immer besetzt. Manchmal gruppiert Brigitte die hier sitzenden Leute um, um mich in der Mitte unterzubringen. Ich sage mit Absicht »unterbringen«, weil ich mich hier zuhause fühle, sozusagen im Familienkreis. Wein und Bücher an ein und demselben Ort. Vor Jahren hatte ich in Marseille eine Café-Buchhandlung eröffnet, denn ich wünschte mir einen solchen Ort für meine Verabredungen. Damals gab es das nicht. Mir scheint, es seien ein paar Leute aus Paris hergekommen, um einen Augenschein zu nehmen. So bekamen sie eine Vorstellung davon, von einer Buchhandlung mit Weinbar. Ich sage mir gerne, es sei die Belle Hortense gewesen, und vielleicht war sie es auch.
Schreibe ich, wenn ich in die Belle Hortense komme? Nein, nicht wirklich. Eher lebe ich mit ihr. Ich habe meinen Schreibtag abgeschlossen und trinke zur Entspannung ein Glas mit diesen Büchern, die nicht meine sind, und mit Freunden. Es tut gut, ein fertiges Buch zu sehen, das in die Welt hinausgegangen ist, um sein eigenes Leben zu leben. Wenn ich über meinem Manuskript sitze, denke ich nicht an das fertige Buch. Es existiert nicht. 

Die Bücher sind meine natürliche Umgebung. Wenn ich das Manuskript liegen lasse, an dem ich arbeite, um an der Welt teilzunehmen, gehe ich gern an einen Ort, an dem die Bücher ihr Après-Schreiben-Leben haben. In einer Weinbar sind sie so lebendig. Sie stehen zwar nicht immer im Mittelpunkt, der Wein ist ein starker Konkurrent, sind aber doch sehr präsent. Wer in der Belle Hortense verkehrt, liebt Bücher. Worte und Ideen flirren noch und noch durch das kleine Lokal.
Die Bücher beruhigen mich, in der Belle Hortense hole ich jedoch nur selten eins aus dem Regal, um darin zu blättern. Man muss sich ausruhen können, absehen, Abstand nehmen können.

 


Interview mit der Autorin

Was kann Literatur?
Pia Petersen: Ohne Worte, ohne Sprache gibt es keine Welt. Die Literatur erfindet Möglichkeiten, schafft Durchblicke. Sie lässt existieren, was nicht mehr existiert, was noch nicht existiert, was eines Tages existieren wird. 

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
PP: Ich arbeite gern in Cafés. Sie sind Orte der Begegnung, im Zentrum der Gesellschaft. Hier treffen sich die Menschen, sprechen miteinander, können sich manchmal nicht ausstehen. Es geht darum, sich in die Lage zu versetzen, schreiben zu können, ohne etwas von der Welt zu verpassen, die ringsum lebt und vorbeigeht. 

Wo fühlst du dich zuhause? 
PP: Nirgends.

 

BIO

Pia Petersen kam in Dänemark zur Welt. Sie schreibt auf Französisch und auf Englisch. 
Ihr letztes Buch La vengeance des perroquets (Die Rache der Papageien) ist bei den Editions Les Arènes erschienen. 
Sie hat zwölf Romane publiziert, sechs davon bei Actes Sud. 
Pia Petersen hat die Buchbranche erkundet, indem sie in Marseille das Buchhandlungs-Café Le Roi Lire eröffnete.
Sie wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Prix de la diffusion de la langue et de la littérature françaises, Académie française, 2014, und kürzlich, 2024, mit dem Internationalen Rotary-Preis des französischsprachigen PEN-Clubs.
Sie hat an mehreren Residenzen teilgenommen: Haiti, China, Chaumont, Lille.
Website: www.piapetersen.net