Brahim Saci | L’impondérable, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Brahim Saci | Übersetzung aus dem Französischen: Daniela Gerlach

 

Wenn es einen Ort gibt, der mir lieb und teuer, ja fast lebenswichtig, ist, dann ist es das Literatur-Café L’impondérable in Paris. Jeden Sonntag um 18 Uhr wird es zu einem Treffpunkt der Seelen, der Poesie, Musik, der Ideen. Es ist der Schriftsteller, Dichter, Journalist Youcef Zirem, der darin die Seele ist. Seine Energie, seine Menschlichkeit, machen aus diesem wöchentlichen Moment ein essentielles Atemholen, zusammen mit Mourad und Sofiane, den herzlichen Gastgebern des L’Impondérable, die uns mit besonderer Freundlichkeit empfangen. 

Die Atmosphäre da ist freundschaftlich, fast brüderlich. Der Austausch ist immer respektvoll, tiefgründig. Man redet dort über Literatur, die Künste, das Leben – und vor allem schreibt man dort. Es ist an diesem Ort, wo ich die Inspiration für den Großteil meiner zwanzig Gedichtbände gefunden habe. Oft bleibe ich spät in der Nacht am Tisch sitzen, einen kalt gewordenen Kaffee neben mir, und warte darauf, dass die Muse kommt und sich gegenüber setzt. Die Cafés sind für mich kreative Zufluchtsorte, Heimstätten des freien Denkens. 

Jeder Winkel des L’Impondérable scheint von wartenden Worten bewohnt zu sein.
Man hört dort Lachen, Verse, vielversprechende Stille.
Es ist ein Ort der lebendigen Erinnerung, aber auch der poetischen Zukunft.
Man begegnet dort den Stimmen, die von Woanders her kommen, gemischte Sprachen, sich vermischende Geschichten.
Es ist ein sanfter Widerstand gegen die Brutalität der Welt.
Eine Insel der Schönheit im Pariser Tumult.

In Paris, der Stadt der Dichter, haben die Cafés so viele Werke entstehen sehen. Verlaine, Aragon, Camus, Kateb Yacine …, alle haben an diesen belebten Orten geschrieben. L’Impondérable reiht sich in diese lebendige Tradition ein.
Es ist mehr als ein Café. Es ist ein Raum der Kreativität, der Freiheit, wo das Wort zirkuliert, wo die Stille inspiriert, wo die sich kreuzenden Blicke mehr als Worte sagen.
Dieses Café trage ich in mir. Es ist die Verlängerung meiner Stimme, meiner Texte, meines Seins. 

 


Interview mit dem Autor

Kann Literatur noch die Welt retten? 
Brahim Saci: Ja, sie kann nach wie vor eine wichtige Rolle spielen. Sie wird die Welt vielleicht nicht in einem konkreten Sinn retten, aber sie rettet die Geister. Lesen bedeutet lernen zu denken, zu zweifeln, zu fühlen. Literatur hilft uns, die Welt und andere besser zu verstehen. Sie weckt das Bewusstsein und bildet kritische Geister. Kinder ans Lesen zu gewöhnen bedeutet, ihnen innere Freiheit zu vermitteln, eine stille Kraft, um eine gerechtere Zukunft aufzubauen.

Hat das Café heute noch eine gesellschaftspolitische Bedeutung, und wenn ja, welche?
B.S: Ja, das Café ist nach wie vor ein Ort des freien Austauschs, ein Raum, in dem Ideen ungehindert zirkulieren können. Es ist ein Ort, an dem Masken fallen, an dem man diskutiert, teilt, zuhört. In einer zunehmend digitalen Welt sind Cafés nach wie vor physische Orte der sozialen Verbindung und des lebendigen Wortes. Sie bewahren sich ihre Funktion als Ideenschmiede, wie früher die literarischen Salons.

Wo fühlst du dich zu Hause? 
B.S: Ich fühle mich an Orten zu Hause, an denen ein Austausch stattfindet, da wo man ganz man selbst sein kann. Das kann in einem Café sein, in einem Buch oder in einem ehrlichen Gespräch. Es sind diese Freiräume, die mir das Gefühl geben, dazuzugehören.

 

BIO 

Brahim Saci ist ein französisch-kabylischer Schriftsteller, Journalist, Liedermacher. Geboren zwischen zwei Ufern, erforscht er in seinen Texten Exil, Liebe, Erinnerung und Freiheit. Als Autor von zwanzig Gedichtbänden ist er eine einzigartige und engagierte Stimme am Schnittpunkt der Kulturen. In der Pariser Literaturszene ist er sehr aktiv, er holt sich seine Inspiration in Cafés, vor allem im Literatur-Café L’Impondérable, wo er oft bis spät in die Nacht schreibt.