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Giovanni Del Franco | Le Bouquet de Grenelle, Paris

Fotositzung für Alain. Ich bin besorgt, dass er nicht zufrieden sein könnte. Ich versuche, dem schwarzen Blick des Objektivs zu entkommen. Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf. Sie werden eingefangen vom Geist einer Frau. Verschwunden vor zweiundvierzig Jahren, in Italien, dem Land meines Vaters. Eine Frau, deren Schicksal mich fasziniert. Über die ich zu schreiben versuche. Sie führt mich von den erträumten Höhen der mexikanische Sierra Madre zu den bekannten Landschaften Umbriens. Ich hätte sie kennen können, hätte ihre Stimme hören, ihren Blick schauen, ihr Schweigen atmen können. Sie ist zu früh gegangen. So also sind es wenige Bilder, mit deren Hilfe ich sie zu erreichen versuche: Fotos von ihr, davon eines mit zwanzig Jahren. Ihre würdevolle Schönheit ist geprägt von Melancholie. In ihren Zügen suche ich nach den Fäden ihrer Geschichte. Aber Alain wartet. Ich werde später zurückkehren.

 


Interview mit dem Autor

Was bedeutet Literatur für dich?
Giovanni Del Franco: Zuerst einmal Flucht. In der Literatur suche ich mir Welten, die mich vom Alltag unserer formatierten Gesellschaft entfernen. Und Erinnerung. Die Weitergabe von Erinnerung. Ich schreibe viel über die UreinwohnerInnen Amerikas. Wer ist weiter von uns entfernt als ein Apache des 19. Jahrhunderts? Ich lese Werke zu diesem Thema, oder zu historischen Themen (die Erinnerung…). Vor kurzem habe ich begonnen, mich für Krimis zu interessieren, vor allem für die nordischen (vermutlich aufgrund der Fremdheit).

Was bedeuten Cafés für dich?
GDF: Eine Pause. Ein Moment, in dem die Zeit nicht mehr so schnell läuft. Und ein Abbild der Welt, in der wir leben. Zahlreiche soziale Schichten verkehren hier miteinander.
Ich setze mich nie alleine hin, sondern an die Bar, wo die Menschen miteinander reden. Meistens über unbedeutende Dinge. Aber sie reden. In einem hypervernetzten System sind Orte selten, an denen das möglich ist.

Warum hast du «Le Bouquet de Grenelle » gewählt?
GDF: Ganz einfach aus dem Grund, dass es das Café ist, in dem ich mich am meisten aufhalte, und das seit rund zwanzig Jahren. Da es nah bei einem meiner Arbeitsorte ist, habe ich früher dort regelmäßig einen kleinen Schwarzen getrunken, bevor ich meinen Arbeitstag begonnen habe. Mittlerweile tue ich das nur noch gelegentlich, aber gerade heute war ich wieder dort, um auf der Terrasse ein Glas mit meiner Cousine zu trinken, die zu Besuch bei mir war.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
GDF: Vor allem schreibe ich. Ich kann nur bei mir zuhause schreiben, in der Ruhe, in der Stille. Ich versuche, etwas zu veröffentlichen (und das Vermarkten braucht ebenfalls viel Energie). Ich mag das Kino, Ausstellungen, Reisen (ich bereise alle Hauptstädte Europas). Und um meinen Lebensunterhalt zu verdienen (das Schreiben bringt nicht genug ein), höre ich mir Geschichten an. Ich bin Arzt.