Daniel Böswirth | Café Weingartner, Wien
Foto: Alain Barbero | Text: Daniel Böswirth, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)
in ein wiener kaffeehaus trat einmal vor langer zeit ein busy businessman made in germany und klappte seinen laptop groß auf. er hämmerte auf seine weiche kunststofftastatur als wäre es eine alte, schwere olivettibüroschreibmaschine und hob fingerschnippend seine in ein elegantes sakko gekleidete anzughand, als wollte er seine sekretärin zu sich rufen. wie ein komet aus einem fremden universum schlug dieser raumgreiftend gelackte, aalglatte james dean der finanzwelt in die wiener schludrigkeit ein.
die kellnerin würdigte ihn keines blickes und erteilte ohne zu zögern die höchststrafe: wiener luft. sie blickte durch ihn hindurch. der begriffstutzige tastenklopfer erkannte seine chance nicht: flucht! er bestand beharrlich darauf, wahrgenommen und bedient zu werden. die kellnerin, eine grande dame mit aufgesteckter knödelfrisur, blickte lächelnd und amüsiert auf den mann herab und sagte laut, mehr zu den anderen gästen als zu ihm: „wissen sie was, kommen sie wieder, wenn sie zeit haben und den kaffee so richtig genießen können.”
mit roten kopf katapultierte sich der busy businessman mit harkigen schritten wieder selbst aus dem kaffeehausuniversum. schwingtürflattern. stille. die üblichen kaffeehausgeräusche füllten allmählich wieder den raum. die wiener gemütlichkeit war wieder hergestellt.
Interview mit dem Autor
Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Daniel Böswirth: Sie war es, sie ist es und sie wird es immer sein: die schönste Art aus dem Gefängnis der eigenen beschränkten Realität auszubrechen, um jene zu treffen, die auch ausgebrochen sind.
Welche Bedeutung hat “Kaffeehaus” für dich?
DB: Kaffeehaus ist für mich jener Ort, wo größtmöglichste Privatheit im öffentlichen Raum simuliert wird. Ich fühle mich wie zu hause und bin doch in der Fremde.
Warum hast du das Café Weingartner gewählt?
DB: Weil ich es mag und es gleich bei mir um die Ecke ist.
Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
DB: Ich arbeite als Fotograf, bin berufsbedingt viel in der Natur, spiele gerne Fussball, verbringe viel Zeit mit meiner Familie, mag kochen, noch lieber essen und geh gerne ins Kino.