Claudia Kiefer | Café Sehnsucht, Köln
Foto: Alain Barbero | Text: Claudia Kiefer
Im Zwischenort, im Zug von Heidelberg nach Köln, schwebe ich frei, in den Wänden der Schiefernfelsen sitzen die Elfen. Fast hätte ich vor lauter Träumerei die Loreley verpasst, ich hatte mich auf die Durchsage im Zug verlassen, aber das hier ist nicht die See.
Köln am Rhein, ein Viertel vom Tag später. Dort ein Weg: vorbei an einem Fernsehturm, an Fußballplätzen, Betonwänden, an Parks. Stehenbleiben am Seerosenteich.
Die Stadt erinnert sich an mich, bestimmt. Es haften Sticker an den Wegmarken. Gesichtserkennung. Fußabdrücke auf Brücke. Et voilà …das Leben!
Unter dem Blätterdach der riesigen Bäume atme ich ein. Die Sonne zeichnet Figuren von Blättern auf nacktem Arm. Tattoos. Ich schließe meine Augen. KOMOREBI.
„Bird’s don’t fly“, wieder das Lied im Ohr, „I lost my shoes, I’m moving still” singe ich.
Plötzlich vor mir ein Baum, diese Schönheit zwischen den Häusern, ich gehe über einen gelben Teppich aus Blütenstaub.
Dann die Verortung: Körnerstraße, Köln-Ehrenfeld, im August.
Ich bin da. Café Sehnsucht. An einem Tisch neben dem alten Ofen wartet jemand auf mich, an der Wand hängen blau-weiß gemusterte Fliesen, oben ein Deckenpropeller, Wände stellen sich im Antikblau vor, eine Gans schaut belustigt aus dem Bilderrahmen. Ich denke an meine Großeltern und erzähle von früher.
Die nette Dame fragt, was ich mag. Es ist, als hätte sie auf mich gewartet. Sie trägt eine Leichtigkeit und Freundlichkeit auf dem Tablett. 1 x Lächeln. 2 x Lächeln. Echo. Vor mir baut sich ein Stillleben aus frischen Blumen und gut duftendem Café auf.
Kurzinterview mit der Autorin
Was kann Literatur?
Claudia Kiefer: Sie kann alles, wenn sie will, Menschen retten, ja sogar die Welt, dich glücklich machen, umarmen, dich zum Tee bitten. Genauso gut kann sie dich aber auch vor die Tür werfen oder erschüttern, dich in den Regen stellen oder deine Träume übernehmen.
Vor allem aber kann sie Vermittlerin sein, Übersetzerin, sie kann dabei helfen, einander besser zu verstehen.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
CK: Ein Café ist für mich die erste Anlaufstelle in jedem Ort der Welt, ich kenne diesen Ort als warmen und offenen Ort, ein Ort für Demokratie und Diskurs, Inspiration auch, ein Ort für Geschichten und Begegnungen, ein Ort, der für jeden zugänglich sein sollte.
Ein Café bedeutet für mich auch Erinnerung, Familiengeschichte, meine Großeltern und Urgroßeltern hatten ein Landgasthaus nahe Berlin.
Wo fühlst du dich zu Hause?
CK: Das ist schwer in einem Satz zu sagen, darüber werde ich vielleicht einmal ein Buch schreiben. Mir fällt immer nur spontan das Lied ein „Home is, where your heart is..“.
BIO
Claudia Kiefer ist aufgewachsen in Stendal, lebt seit 2002 in Heidelberg, sie ist Freie Autorin und Herausgeberin, Kuratorin, seit 2005 Angestellte bei Springer Nature, sie schreibt auf Deutsch und Englisch.
Ihr Lyrikdebüt Gezeiten erschien 2023 im Prosodia – Verlag für Musik und Literatur, weitere Veröffentlichungen in Anthologien bei Wunderhorn und Mikrotext
*Liedtextbezug: „Birds don’t fly“ von dem Interpreten Sweet Sweet Moon
*KOMOREBI: Das japanische Wort Komorebi beschreibt das Sonnenlicht, das durchs Blätterwerk der Bäume fällt und tanzende Schatten malt.
*Liedtextbezug: „Home is where my heart is” von dem Interpreten von Elvis Presley