Dominika Meindl | Alter Schlachthof, Wels
Foto: Alain Barbero | Text: Dominika Meindl
Das Nachleben der toten Tiere
Seit einem Vierteljahrhundert esse ich kaum Fleisch, und in letzter Zeit ertrage ich den Anblick totgefahrener Tiere neben der Straße kaum noch. Trotzdem habe ich vergangenes Jahr in einem Schlachthof geheiratet. Es war wunderschön.
Bis zum Jahr meiner Geburt wurden an diesem Ort hunderttausende Rinder und Schweine ums Leben gebracht, ich mag es mir gar nicht vorstellen. Heute nennt sich der Alte Schl8hof Wels „sociocultural center * unestablished since 1985“. Wels hat mir bis vor 15 Jahren rein gar nichts bedeutet – dass sich das ins Gegenteil gekehrt hat, liegt nicht nur an dem Mann, den „meinen Mann“ zu nennen ich mir gerade angewöhne. In den Schl8hof war ich auf den ersten Blick verknallt. Hier würde sich etwas anfangen lassen, dachte ich.
Wenn man in Wien etwas auf die Füße stellen möchte, schauen dich die Leute mitleidig an und sagen sarkastisch „super, wir wollten dich schon anrufen“. In Linz sagen sie, „super, mach‘ einmal“. In Wels: „Super! Was brauchst du?“ Und sie meinen es auch so. Wels ist keine coole Stadt, es ist von Autobahnen und Einkaufszentren umschlungen, es hat einen blauen Bürgermeister. Er hasst den Schl8hof, und das ist in meinen Augen eine herzliche Empfehlung für diesen Ort.
Die Bar des Schl8hofs ist natürlich kein Café, auch wenn gute Menschen eine Sitzecke aus dem legendären und schändlich abgerissenen alten Café Urbann gerettet und hier aufgestellt haben. Während des Foto-Shootings war es ganz still. So kenne ich diesen Ort nicht, ich verbinde ihn mit Musik, Gelächter und Menschen, die ich mag. Seit 2016 veranstalte ich hier mit dem KV waschaecht die literarische Reihe „experiment literatur“. Ich darf Kolleginnen und Kollegen einladen, die ich bewundere. Gibt es Besseres?!
Kurzinterview mit der Autorin
Was kann Literatur?
Dominika Meindl: Viel zu wenig. Aber vielleicht verlange ich auch zu viel von ihr. Ist ein Buch vorstellbar, das Vladimir Putin in einen Haufen reuiges Elend verwandelt? Wie schön das wäre. Natürlich bedeutet mir Literatur die Welt. Sie anderen zu vermitteln, ist Sinn meiner Arbeit. Andererseits liebe ich Ausflüge in eine Welt, die ganz ohne Buchstaben auskommt, ins Tote Gebirge etwa. Das sind Stunden in einer Welt, die ohne mich auskommt. Wenn ich zurückkomme, bin ich wieder ganz für die Buchstaben da.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
DM: In ihrer klassischen Form keine besonders große, obwohl ich es sehr genieße, hier Zeitung zu lesen oder Berufliches zu besprechen. Wahrscheinlich bin ich eher ein Wirtshausmensch. Wenn ich ins Black Horse, ins extrazimmer oder in den Schl8hof gehe, summt in meinem Kopf manchmal die Titelmusik von „Cheers“:
Making your way in the world today
Takes everything you’ve got …
Sometimes you wanna go
Where everybody knows your name
And they’re always glad you came
Wo fühlst du dich zu Hause?
DM: In Wilhering, an der Donau, in Wels, im Toten Gebirge
BIO
Dominika Meindl, *1978, Bundespräsidentin der Republik Österreich. Bewegt sich zwischen oberösterreichischem Zentralraum und Totem Gebirge als Schriftstellerin, Moderatorin, Journalistin und Literaturveranstalterin. Leitet die gemeinsam mit Anna Weidenholzer, Klaus Buttinger und René Monet gegründeten Original Linzer Worte, die dienstälteste Lesebühne Österreichs. Kuratiert die Reihe experiment literatur in Wels. Regionalsprecherin der GAV OÖ.
Blog „Eine Frau mit recht wenigen Eigenschaften“: www.dominikameindl.at