Elisabeth Wandeler-Deck | Caffetteria am Limmatplatz, Zürich
Foto: Alain Barbero | Text: Elisabeth Wandeler-Deck
horche auf die Geräusche beim sachten Berühren der einen Lippe durch die andere beim Sprechen des leisen mmmm dann Aufreissen des Zwischen der Lippen das Hindurchströmen des starken Luftstroms aaaaa ich horche den Ort. Diesen Ort. Diesen mir lieben Ort Caffetteria am Limmatplatz. Es entsteht im Lauschen Horchen, da. mf. Die Kaffeemaschine, sie zischt.
Es ist schon halb drei.
Spreche das Klingen nach, die Geräusche aus und dann weiter bis knapp vor das Ausklingen hin, genau an den schmalen Rand der Kaffeetasse.
Ich höre zu. Ich sag etwas.
Soll ich, soll ich nicht, ich schiebe die Zeitung zur Seite, notiere ein Wort bloss. ppp. Schreiben.
Da, Hagel, die Frau auf der Sitzbank im Kaffee streicht über ihre Arme, stösst den einen Ärmel zurück, den andern, zuerst den linken über die zarte, schön bebilderte Haut des linken Arms, bis er wild gerafft erscheint, dann wendet sie den Kopf zur Strasse hin, die Rosenknospen im Dauerregen, nicht aufspringen können, woher wir alle, ja, auch ich, sage ich laut, ins Kaffee hineinlinsen, die erinnerten Gebäckstücke, wo ins Kühlgestell lege meine Wörter bei zurückgeschobener gläserner Schutzscheibe gespiegelte Morgensüsse, mit Hagelzucker Bestreutes, Eingeräumtes, werden, verzehren, ablecken, zerstechen, zerschneiden, beobachten, entzücken, nicht nichts.
Hagelzucker ff, eingewickelt in Seidenpapier gar.
Gebäckstücke bestreut. Wendet sich vom Kaffee ab. Gebäckstücke beraten. Jemand kann immer. Content eben. Vermisste salonfähig, sie, auch sie.
Hagelzucker mp
Pause bin müde, wo leg mich hin, wo sind meine, pflücke Sommerzitrone.
Hagelzucker. p.
Man hätte sich, einander, etwas, vielleicht knapp vor einem Sagen, Sprechgeräusche, mf, Stille, dann erneute Sprechgeräusche, rhythmisch, decrescendo, crescendo, davon später. Ich alte Frau.
Pause.
Und.
Wie geht es dir.
Es ist schon halb drei.
Abgrund. Der Kommata womöglich Punkte Fragezeichen, dem Anheben Absinken der Satzmelodie folgen.
Kurzinterview mit der Autorin
Was kann Literatur?
Elisabeth Wandeler-Deck: Literatur (?) kann (manchmal) nicht können / will (vielleicht) nicht könnend (welche) Regeln überschreiten, das Überschreiten feiern, in der Überschreitung Sprache feiern, zu feiern geben, Literatur, als Literatur, kann daher die Überschreitung in ihrem Werden, dem Geschehen der Aufmerksamkeit aussetzen. Leuchten, beleuchten kann Literatur können und noch manches kann sie, kann sie nicht. Möglicherweise. Möglicherweise kann sie manchmal, manchmal ist sie ängstlich, will sich anlehnen, möchte gefeiert werden … Sie kann gar nichts, es geschieht dieses Schöne, dieses schöne Nicht. Literatur ein Menschenkunstding.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
EWD: Cafés sind Inseln, wo auch immer. Knoten, wie denn. Sie unterbrechen, was auch immer.
Wo fühlst du dich zuhause?
EWD: Das ist die Frage der Fragen. Wenn ich sie nicht stelle, dort, wo ich bin, weiss ich es. Zürich, Maggia, Kairo, Visby, Zürich. Und sobald ich gefragt werde, ob ich mich in Zürich Affoltern zuhause fühle, wird mir konfus – was meinst du, der/die frägt, mit dieser Frage.
BIO
Elisabeth WANDELER-DECK (*1939) lebt in Zürich-Affoltern und anderswo.
Ursprünglich Architektin und Soziologin/Gestaltanalytikerin. Als Schriftstellerin zahlreiche Buchveröffentlichungen sowie Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften (zuletzt ZEITZOO und IDIOME sowie LICHTUNGEN, DAS NARR) und im Netz (u.a. SIGNATUREN). Bildtextarbeiten. Szenische Arbeiten. Als improvisierende Musikerin und mit ihren Texten Mitglied des Improvisationsquartetts bunte hörschlaufen. Zusammenarbeit mit Komponistinnen, Musikern. Einmal entstand in Film. Veröffentlichungen u.a.: VERSIONENLUST, ECHO, Edition Howeg 2022; ANTIGONE BLÄSSHUHN ALPHABET SO NEBENHER, Ritter 2022; Füllflächen für Geräusche: ab 09.10.2023, Klingental 2024.