Foto: Alain Barbero | Text: Farah Nayeri | Übersetzung aus dem Französischen: Georg Renöckl
Club Entropy
Es gibt einen kleinen Club von Autorinnen und Autoren, die damit prahlen, von Alain Barbero porträtiert worden zu sein. Ich gehöre dazu! Dieses Glück verdanke ich Alain und unserer gemeinsamen Freundin Corinne Maier, die eine begabte Autorin und ein angesehenes Mitglied des Clubs ist.
Meine Begegnung mit Alain findet an einem sonnigen Morgen in London statt. Wir treffen uns in dem Café, in dem ich schreibe: dem Pilgrm, das sich in einem lounge-artigen Raum eines Hotels in der Nähe des Bahnhofs Paddington befindet. Ehrlich gesagt bekomme ich ein wenig Herzklopfen, wenn ich daran denke, dass man mich vor dem Personal und den Kunden fotografieren wird. Ich stelle mir vor, wie Alain mit seiner ganzen sperrigen Ausrüstung ankommen wird: Scheinwerfer, Reflektoren, Stativ …
Stimmt überhaupt nicht! Alain kommt aus Belgien an, der Heimat von Hergé, ausgerüstet mit einem kleinen Rucksack. Mit seinen widerspenstigen Haarsträhnen und seiner Spiegelreflexkamera sieht er ein wenig aus wie der Held von „Tim und Struppi“. Wir setzen uns kurz draußen hin, um uns kennenzulernen und einen guten Cappuccino zu trinken. Er lächelt und ist nett: Ich bin beruhigt.
Die Aufnahmesession ist so leicht wie Alains Ausrüstung. Wir setzen uns gegenüber an einen kleinen Tisch und plaudern weiter, leise und diskret. Alain macht Foto um Foto, der Auslöser macht keinerlei Geräusch, die Menschen rund um uns bemerken nichts. Um die Stimmung aufzulockern, freut er sich laut angesichts jeder Position, die ich einnehme – „Ja genau! Sehr gut!“ –, auch wenn uns beiden klar ist, dass wir noch einige mehr brauchen werden, bis die Mission erfüllt ist.
Dutzende Aufnahmen später ist die Session zu Ende, das Mittagessen beginnt. Alain bestellt einen Teller mit Räucherlachs, dazu ein Glas Bergerac. Später begleite ich ihn bis zum Gitter des Hyde Park und bedanke mich bei ihm. Mit dem Fotoapparat in der Hand bricht Alain (alias Tim) fröhlich zur Anwerbung neuer Mitglieder für seinen Club auf.
Interview mit der Autorin
Was kann Literatur?
Farah Nayeri: Sie ermöglicht, uns unserer gemeinsamen Menschlichkeit bewusst zu sein.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
FN: Eine riesige: Wenn ich den Tag mit einem guten Cappuccino beginne, bin ich wesentlich besser konzentriert und wesentlich produktiver als in meinem Arbeitszimmer …
Wo fühlst du dich zu Hause?
FN: In London und Paris, an beiden Orten. Das ist die beste aller Welten.
BIO
Farah Nayeri ist die Autorin von „Takedown: Art and Power in the Digital Age“, das 2022 in den USA erschienen ist. Die Kulturjournalistin iranischer Herkunft arbeitet seit etwa zehn Jahren für die New York Times, sie lebt in London und Paris. Farah war Korrespondentin für Bloomberg in Paris, Rom und London. Vor drei Jahren hat sie ihren Podcast „CultureBlast“ gestartet.