Isabelle Germain | La Coupole, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Isabelle Germain | Übersetzung aus dem Französischen: Daniela Gerlach 

 

In der Mitte eines Arbeitstages eine Pause im La Coupole. Eine Pause, um sich in Pose zu werfen oder auch nicht? In die Ferne schauen, ins Objektiv blicken, lächeln, eine ernste Miene aufsetzen, entspannt wirken, den sehr diskreten Anweisungen von Alain folgen oder nicht folgen? 
Ich kann mein Bild nicht von dem trennen, das mit meinem Engagement als Journalistin und Autorin verbunden ist: der Medienlandschaft einen feministischen Blick auf die Aktualität aufzuprägen (in LesNouvellesNews.fr). Den Blick ändern, den die Medien auf die Feministinnen haben. Feministinnen haben nun mal  schlechte Presse. „Ich bin keine Feministin, aber …“, sagen immer noch zu viele Menschen – und demonstrieren das Gegenteil im Satz, der darauf folgt. Die französischen Medien haben den Feminismus zu etwas Schändlichem gemacht. Sehr lange Zeit haben sie Feministinnen nur spärlich gezeigt und sie als hysterisch dargestellt. Ich erinnere mich an ein langes Video-Interview für einen nationalen Fernsehsender Anfang der 2000er Jahre, nach einer Untersuchung und einem Buch über die geringe Sichtbarkeit von Frauen in den Medien. Der Journalist versuchte mich auf die Palme zu bringen. Ohne Erfolg. Ich antwortete ruhig, mit Zahlen und Fakten … Bis zu dem Punkt, an dem er schließlich sagte: „Aber regen Sie sich auf!“. In seiner Reportage wurde nur eine ganz kurze Sequenz dieses Interviews festgehalten. Ich bin nie als „gute Kundin“ betrachtet worden, von diesen Medien, die Feministinnen nur für ein Spektakel heranziehen, in dem sie als Punchingball dienen. Ein mise en abyme der Unsichtbarkeit des Feminismus und derer, die sich zu ihm bekennen. Lächeln, wütend sein, ein entspanntes Gesicht aufsetzen, nachdenken? Wie kann man auf einem Foto sagen, dass der Feminismus ein politischer Kampf ist? 

 

Interview mit der Autorin

Was kann Literatur? 
Isabelle Germain: Einen anderen Blickwinkel bieten, die Sichtweise ändern, neue Fragen aufwerfen, falsche Evidenzen  einreißen. Immer einen Schritt zur Seite machen, nachdem man geschrieben hat. Und nochmal anfangen … Oder auch nicht. 

Welche Bedeutung haben Cafés für dich? 
IG: Sie sind vor allem Orte der Begegnung. Ob berufliche oder freundschaftliche Treffen, sie symbolisieren die Öffnung gegenüber anderen, die Versprechen angenehmer Momente oder schöner Projekte. Ich mag die geschichtsträchtigen Pariser Cafés. Ich sehe gerne die Touristen in Entzücken geraten. Sie erinnern mich an das Glück, das ich habe, in Paris zu leben. 

Wo fühlst du dich zu Hause? 
IG: Überall, wo ich mich mit meinem wertvollen kleinen Computer niederlassen kann. Ein Zug, ein Hotel, eine Sofaecke, unter einem Baum, im Schatten eines Sonnenschirms. Ich fühle mich in diesem Gerät zu Hause, das mein Berufsleben und einen Teil meines Privatlebens enthält, und das mich mit dem globalen Dorf verbindet.

 

BIO

Isabelle Germain ist Journalistin und Autorin. Nach einer über 25jährigen Laufbahn in den Bereichen Wirtschaftspresse und politische und allgemeine Information, gründete sie die Nachrichten-PlattformLesNouvellesNews.fr., le regard féministe sur l’actualité“ (der feministische Blick auf die Aktualität). Sie war Vorsitzende des Journalistinnen-Verbandes (2001-2006) und Mitglied des Rates für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2013-2016).
Sie schrieb: Si elles avaient le pouvoir… Larousse Collection (2009), 18 ans Respect les filles ! mit Isabelle Fougère und Natacha Henry, la documentation française (2009), Le Dictionnaire iconoclaste du féminin mit Annie Batlle und Jeanne Tardieu, Bourin Editeur (Februar 2010), Journalisme de combat pour l’égalité des sexes. La plume dans la plaie du sexisme, LNN édition (2021).