Jana Volkmann & Raphaela Edelbauer | Café Kriemhild, Wien
Foto: Alain Barbero | Text: Jana Volkmann
Am Licht bin ich noch nicht leergeschrieben. Ich habe in der Zwischenzeit alte Träume erinnert, die eine sehr spezielle Beleuchtung hatten: Regen, Nacht, die Scheinwerfer von Bussen und durch Kaffeehausfenster fallendes Licht. Und ich habe die Vorhänge zugezogen und eine Entscheidung gefällt.
Ich habe mal in einem Kino gearbeitet, das Lux Lichtspiele hieß. Jeden Dienstag kam ein Mann zwischen den Vorstellungen ins Kino, kaufte einen Eimer Popcorn um 9 Euro und verschwand wieder. Ich habe mir zusammengereimt, dass er womöglich von seiner Familie getrennt gelebt und wöchentlich Besuch bekommen hat von seinem Kind, mit dem er dann gemeinsam das Popcorn gegessen hat, aber nie ins Kino gegangen ist. Rituale sind alles. Ich denke oft an den Popcornmann, wenn ich an einem dieser greisen, hilflosen Kinos vorbeikomme, von denen man gar nicht weiß, ob sie noch in Betrieb sind.
Du hast mir vor einer Weile Georges Didi-Hubermans Glühwürmchenbuch gegeben, in dem er über Pasolinis Schaffen und seine Einstellung zum Licht schreibt. Der Faschismus wird hier mit „fernen und wilden“, grellen Scheinwerfen assoziiert: „mechanische Augen“. Ihnen stellt er die Glühwürmchen gegenüber. Das lebende, das organische Licht, das zu Pasolinis Lebzeiten bereits im Verschwinden begriffen war. Es ist ein spielerisches, tänzelndes Licht, ein angreifbares, schwaches.
Ich habe die Website der Lux Lichtspiele angeschaut, und ich bin glücklich zu berichten, dass es das Kino noch gibt. Es ist angesichts der Weltlage vorübergehend ein Autokino geworden, das sich an einer Autobahnkreuzung befindet. Es heißt, die Popcornmaschine sei dorthin mit umgezogen. Wie es wohl ausschaut, wenn sie allein auf dem Gelände steht, nachdem die Kinobesucher heimgefahren sind. Vor sich hat sie eine große Leinwand und die schwarze Nacht. Ich frage mich, ob die Popcornmaschine aufblinkt, wenn sie schlecht träumt, flackert wie bei einer Interferenzstörung, aber von der Autobahn aus wird nichts zu sehen sein.
Kurzinterview mit der Autorin
Was bedeutet Literatur für dich?
Jana Volkmann: Die Literatur ist für mich eine Form der Philosophie mit künstlerischen Mitteln, die Schnittstelle zwischen Sprache, Ästhetik und Idee. Sowohl das Schreiben als auch das Lesen sind für mich wesentliche Erkenntnisinstrumente.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
JV: Cafés sind eine tolle Errungenschaft; ich bin richtig neidisch auf Kulturen, in denen sie einen noch höheren Stellenwert haben und ein Epizentrum für allerhand kulturelles und politisches Geschehen sind. Mir gefällt besonders die Kontingenz, der man im Café ausgesetzt ist: nicht zu wissen, wer durch die Tür kommen und welche Zeitung am Nachbarstisch liegen gelassen wird. Und die speziellen, subtilen Verhaltenscodes, die derartigen Unwägbarkeiten Verlässlichkeit entgegensetzen.
Warum hast du das Café Kriemhild ausgewählt?
JV: Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe es mit der Inszenierung fürs Foto im Hinterkopf ausgewählt, denn ich finde, es ist vor allem ein sehr hübsches Café, das als Kulisse etwas hermacht.
Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
JV: Ich arbeite noch immer gern an meinem nächsten Roman, vornehmlich von daheim. Ansonsten habe ich in diesem Jahr zu schwimmen begonnen und freue mich sehr, damit weiterzumachen, sobald die Bäder wieder öffnen: Ich habe mir viel vorgenommen, denn ich möchte die Rollwende lernen und dabei mache ich bislang noch keine gute Figur.
BIO
Jana Volkmann, geboren 1983 in Kassel, lebt als Autorin und Journalistin in Wien. Sie ist Redakteurin der Zeitschrift Tagebuch und schreibt Essays sowie Literaturkritik u. a. für den Freitag, neues deutschland und den Standard. Für ihren Roman „Auwald“ (Verbrecher Verlag 2020) erhielt sie den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2021 und stand auf der ORF-Bestenliste