Nelly Staneva | Café Littéraire, Bern

Foto: Alain Barbero | Text: Nelly Staneva

 

Café Littéraire

Er macht es sich im Lärm gemütlich, lehnt sich bequem dagegen, während seine Augen wieder einmal in dem Punkt versinken, der zwischen den Buchdeckeln vor den Augen der anderen verborgen ist. Der kleinste Tisch, direkt am Eingang, zwei Stockwerke über den knarrenden alten Straßenbahnen, und jedes Mal, wenn sich die Tür öffnet, krümmt er sich unter den ankommenden Vokalen wie in flauschigen Kugeln, füllt seine Lungen mit knackigen Tröpfchen kondensierter Winterluft. Ein echtes Gedränge an diesem Samstagvormittag. Ab und zu schleicht sich mit den kühlen Mänteln und Taschen vom Bauernmarkt ein scharfer Konsonant ins Café, ein kehliges x, sh oder z, das ihn aufschreckt. Zum Glück fallen zu dieser Tageszeit öfter Kaffeebestellungen als  Schneeflocken des ersten Schnees draußen. Der Tanz des heißen Dampfes in den Schläuchen der Kaffeemaschine setzt gerade rechtzeitig ein, spült seine Gehörgänge, und er ruht wieder im Geklimper, das nichts mit ihm zu tun hat, unter der Berührung einer Realität, die er nicht in seine eigene Sprache übersetzen kann. Cafe Litteraire. Er flüstert diesen Namen, seine Lippen beben unter den Muskelkrämpfen einer universellen Verheißung, einer prähistorischen Macht, die er schon einmal besessen hat, an die er einmal geglaubt hat, vor zwei Jahrzehnten, lange bevor er das Zischen hörte, bevor er das Flüstern hörte, ”geh weg”, von Hier und Dort, bevor “Dort” zu “Hier” und “Hier” zu “Anderswo” wurde. 

  • Was soll es sein?
  • Es soll sein. 
  • Bitte?
  • Bitte. Ein Kaffee. Cafe. Litteraire. Da komm ich her.

Dieser Mann, denkt sich der Kellner, der mit dem roten Pass und der schlechten Angewohnheit, rechts zu wählen, dieser Mann, schwarz wie der Teufel, aber wie er die Worte auf den Tisch knallt, ganz wie ein Einheimischer. Wahrscheinlich eine Art Schriftsteller oder so.
„Vom Himmel hoch, da komm ich her / Ich bring’ euch gute neue Mär“  trällert der Kellner amüsiert, während er den Hebel der Kaffeemaschine betätigt, danach erinnert er sich aber, dass er Weihnachtslieder eigentlich verabscheut.
Das Notizbuch schweigt, die Deckel sind geschürzt wie die Lippen eines verärgerten alten Mannes. Aber der Punkt ist gesetzt, und der Klang der Glückseligkeit breitet sich über die weichen Seiten aus und tränkt sie wie eine dunkle, erfrischende Flüssigkeit.

 

Original (Bulgarisch)

Café Littéraire

Уютно му е в този шум, удобно му е да се обляга върху него, докато очите му потъват за пореден път в онази тъмна точка, скрита от чужди погледи между кориците на тетрадката. Най-малката масичка, точно до входа, два етажа над скърцането на старите трамваи и при всяко отваряне на вратата той се загръща с прииждащите на пухкави кълбета гласни, пълни дробовете си с хрупкави капки кондензиран зимен въздух. Истинска навалица в този съботен предиобед. От време на време, наред с хладните палта и торбите от фермерския пазар, в кафенето се вмъква и някоя остра съгласна, която го стряска, някое удрящо го в ребрата, гърлено х, ш или щ. За щастие по това време на деня поръчките за кафе валят по-често и от нервните снежинки на първия сняг навън. Танцът под налягане в тръбите на кафе-автомата започва тъкмо навреме, промива ушните му канали и той отново замира блаженно в звънтящия звук, който няма нищо общо с него, в докосването на една реалност, която той не може да преведе на своя език – Cafe Literaire. Той шепне това име, устните му треперят от мускулните спазми на вселенски обещания, които бълбукат напряко случайността, от една праисторическа сила, която е притежавал, в които е вярвал, преди две десетилетия, преди да чуе съскането, преди да чуе шепненето, преди да чуе “върви си”, от тук и от там, преди “там” да стане “тук” и “тук” да стане другаде. 

  • Какво да бъде?
  • Да бъде. 
  • Моля? 
  • Моля. Едно кафе. Litteraire. Da komm ich her.

Този човек, мисли си келнерът с червения паспорт и лошия навик да гласува за националистическата партия, този човечец, черен като дявол, но как тряска на масата думите, съвсем като местен. Някакъв писател сигурно. Какви ли не ги пласират напоследък. После за кратко си тананика „Vom Himmel hoch, da komm ich her.Ich bring’ euch gute neue Mär„, докато кафето капе в чашата, но после се сеща, че всъщност не може да понася коледни песни.
Тетрадката мълчи, кориците стиснати като устни на недоволен старец. Но точката е сложена и звукът на блаженството се разпространява върху меките страници, пропива ги като тъмна, освежаваща течност.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was kann Literatur?
Nelly Staneva: Uns aus dem Fluss der Zeit, aus der Entropie, befreien. Und wenn es um das Erschaffen von Literatur geht, dann, wie Italo Calvino sagt, erschließt sich die Weite des Ungeschriebenen nur durch den begrenzten Akt des Schreibens. 

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
NS: Ich bin schon als Schülerin dem Charme des Cafés verfallen. Zum einen begeistert mich das Genussmittel Kaffee, so wie manchen anderen Wein oder Zigarren. In den letzten Jahren im Gymnasium schwänzte ich regelmäßig Stunden, um Zeit mit meinen Notizbüchern und Tagträumen in Cafés zu verbringen. Seit ich Mutter bin, schreibe ich wieder fast immer in Cafés, denn meine kleine Wohnung ist viel zu voll mit diesem laut pulsierenden Lebensabschnitt. Cafés sind zuverlässige Portale, sie bieten mir jederzeit Zugang zu mir selbst, wenn ich ihn brauche. Darum rede ich aber ungern mit anderen Menschen dort, ich treffe mich auch nicht gern mit Freunden und Kollegen in Cafés.

Wo fühlst du dich zu Hause?
NS: Das ändert sich immer wieder, aber bis jetzt war es selten dort, wo meine Adresse registriert war. Zu Hause ist eher ein seltener Zustand der gleichzeitigen Begeisterung und Ruhe als ein Ort. Aber gerade fühle ich mich in meiner Heimat Bulgarien wieder sehr gut, was lange nicht der Fall war. Ansonsten — wenn ich aufwache und das Köpfchen meines Kindes rieche, oder der Arm meines Liebhabers über mir liegt, fühle ich mich für kurze Zeit auf dieser Erde absolut richtig und zu Hause.

 

BIO

Nelly Staneva, 1983, ist Dichterin und Schriftstellerin. Sie ist in Bulgarien geboren und lebt seit 20 Jahren in der Schweiz. Sie hat zwei Lyrik-Bücher herausgebracht und weitere zwei (Lyrik und ihr erster Roman) sind auf dem Weg zur Veröffentlichung.