Nika Pfeifer | Wiels’ CAFÉ, Brüssel

Foto: Alain Barbero | Text: Nika Pfeifer

 

Ein Ort tut so, als wäre er offen, und ist es! Das WIELS. Kein Museum, sondern ein Experimentierfeld, ein Möglichkeitsraum, eine ehemalige Brauerei, die sich weigert, bloß Vergangenheit zu sein. Die riesigen Kupferkessel glänzen immer noch. Nicht, um zu erinnern. Sie sind Oberfläche von etwas, das bleibt, ohne da zu sein. Im WIELS ist nichts einfach da und alles bleibt Spur. Man wird Teil dieses Spiels. Jeder Gang durch die Räume: eine Verschiebung. Jüngst bei Willem Oorebeek: Fantastisch! Wie er Buchstaben und Text in dreidimensionale, performative Medien verwandelt, künstlerische Objekte, die Schrift als Bild, Plastizität und Raum erlebbar machen, spiegeln (uns), was mit unseren Augen passiert, wenn wir Bilder en masse konsumieren. Seine BLACKOUT-Serien sind ästhetische Absperrung und Einladung zugleich: Schwarze Tintenfelder, durch die das Bild wie ein Schatten schimmert, es verschwindet nicht, es fordert Nähe: Komm näher, verändere deinen Standpunkt, dein Licht. Sehen wird zur Geste, Raumwahrnehmung zur Bewegung. Licht, Fläche, Konstruktion von Sichtbarkeit, alles wird Thema. Dies nur ein Mini-Eindruck von vielen Besuchen, DENN: Vor allem ist da das Café, das Interface im Erdgeschoss. Kaffee? Ja. Kaffee! Oder Tee. Manchmal Bier, ironiquement genoug. In dieser Architektur mit ihren irrsinnig hohen Fenstern, Licht in jeder Ritze, egal ob draußen Regen fällt oder Dunst hängt. Das Licht wirft immer wieder neue Winkel in den Raum. Die Suppe dampft, Eiswürfel klackern, der Raum erzeugt Resonanz, durch Lichtreflexe, Geräuschspuren, sachte Bewegungen. Tische laden zum Schreiben ein, Stühle zum Zuhören. Gedanken werden durch die Architektur geführt, abstrahieren, fragmentieren, setzen sich – und uns – neu zusammen. Das WIELS funktioniert, weil es Raum lässt. Für alles, auch für das, was man nicht gesucht hat. Und wenn man geht, nimmt man was mit: Bilder, Fragen, Ideen, Begegnungen, neue Freund*innen. Das WIELS bleibt die Bühne, auf der sich all dies abspielt. Bis auf montags. Da ist geschlossen.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was kann Literatur?
Nika Pfeifer: Hm, was kann Literatur…? Ich würde sagen: vieles, wenn nicht ALLES. Alles, was im Auge des Betrachters, der Betrachterin liegt. Niemand kann das wissen oder vorhersagen. Auf jeden Fall kann sie das, was hinter den Augen liegt, zum Leuchten bringen. Große Magie.

Ist das Café eher Rückzugsort, Ort der Sammlung oder Versammlung?
NP: Ein Rückzugssammlungversammlungsortortort, würd ich sagen. Alain hat mich nach meinem Lieblingscafé in Brüssel gefragt, und es sind mir so viele sensationelle Orte eingefallen, traditionelle Cafés, Bars, coole Kneipen, Brasséries, auf gut Wienerisch Beisln, dass die Wahl schwer fiel. Das Café WIELS habe ich gewählt, weil es einer meiner ersten Schreiborte in Brüssel war. Es kombiniert alles, was meine Gedanken in Bewegung setzt. Ein Möglichkeitsraum. Kein statisches Museum, sondern ein lebendiges Experiment, wo Kunst produziert und erlebt wird. Was ich daran mag: Es ist ein transformativer Ort. Er zeigt nicht nur, er tauscht aus.

Wo fühlst du dich zu Hause?
NP: Zwei Ideen:
zuhause: eine koordinate
aus sehnsucht & abwesenheit
Und:
„willkommen zuhause“
lese ich & frage mich wo
dieses zuhause eigentlich wohnt
PS: Sylvia Petter hat es so wunderbar in einem Kürzestgedicht formuliert:
I don’t belong,
I long to be.

 

BIO

Nika Pfeifer ist als Autorin und Künstlerin zwischen Wien, Brüssel und in internationalen Projekten tätig. Sie wurde u. a. mit dem Reinhard-Priessnitz-Preis ausgezeichnet, war Max Kade Fellow in den USA und Gastdozentin an internationalen Universitäten. Pfeifer arbeitet an der Schnittstelle von Literatur, Kunst und Film; ihr Werk umfasst Lyrik, Prosa, Radioarbeiten und Kurzfilme. 2024 erschien ihr Lyrikband TIGER TOAST bei Ritter, begleitet von Publikationen in internationalen Zeitschriften und Anthologien.