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Günter Vallaster | Gasthaus Automat Welt, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Günter Vallaster

 

Der Prager Palast Welt (Palác Svět), in Stahlbeton gegossene konstruktivistische Geradlinigkeit und Multifunktionalität, ist ein Gebäude wie ein großes H. Darin befanden sich u.a. das Kino Welt und das Selbstbedienungslokal Automat Welt, in dem sich oft ein großes H der Weltliteratur aufhielt: Bohumil Hrabal. 
In Prag seit Jahrzehnten hinter Bretterverschlägen verborgen und dem Verfall preisgegeben, kann man Georg Aichmayr nur dazu gratulieren, das Automat Welt als Reverenz an Hrabal in Wien wieder aufleben zu lassen, womit er eine perfekte Verbindung von Café, Restaurant und Literatur schafft. Hier kann und möchte ich nur ein Platzhalter sein, mit kleinem h mitten im Wort, für viele weitere literaturaffine Gäst*innen. 
Und auch wenn ich mal alleine hingehe: Wenigstens Hrabal ist immer da. Oder in Abwandlung eines Zitats von Bohumil Hrabal aus seiner Kurzgeschichte Automat Welt, das darin gleichsam wie auf Knopfdruck mehrfach geloopt ist:
Und vom Volkertmarkt drangen fröhliche Musik und Stimmgewirr, das in unbändiges Gelächter überging, ins Gasthaus Automat Welt herüber.

 


Kurzinterview mit dem Autor

Was kann Literatur?
Günter Vallaster: Literatur kann helfen, über den Tellerrand zu blicken, alle Tassen im Schrank zu behalten, um am Ende die Löffel sauber poliert abzugeben. 

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
GV: Thermodynamische Entropie, also behagliche Gemütlichkeit, die sich beim Betreten eines Cafés wie dem Automat Welt sofort ausdehnt sowie informationstheoretische Entropie, also Informationsgehalt aus der Geräuschkulisse und den Gesprächsfetzen isolieren, nach der Formel Wos? x Ha? / Bitte. 

Wo fühlst du dich zuhause?
GV: In einem guten Buch, bei guter Kunst, guter Musik, bei einem guten Essen, einem guten Gespräch. Also bei allem Guten, gerne auch in einem guten Café. 

 

BIO

Günter Vallaster lebt und arbeitet als Autor, Herausgeber, Sprachkursleiter und Schreibpädagoge in Wien. Zuletzt erschien der Beitrag Megaprompts in V#40 – Ach, KI! (Literatur Vorarlberg, 2024).

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Günter Vallaster | Café Bendl, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Günter Vallaster, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Bücke dich, sonst prellst du dich, am Türstock und am Lauf der Zeit. Bücke dich, heb die Stunden auf, die irgendwo verloren waren, jetzt sind sie wieder da. „Es ist kurz nach halb sieben“, lacht die Frau in Weiß mit grünem Schal. „Es ist halb acht“, lacht der Mann mit schwarzem Hut an der Bar. Beide haben recht. In diesen Räumen gilt jede Zeit. Aus dem Riemenboden knarren Jahrhunderte, aus den Spalten im Fauteuil schauen Jahrzehnte. Die Überzüge werden bis zum letzten Faden ausgesessen. Die Tische sind Marmorsockel für Figuren, die kommen, gehen, kommen. Und bleiben. Hier sind Kaffeetassen in Tapeten eingewebt. Hier werden Bierdeckel als Kunstwerke gefeiert. Die Leberkässemmeln tragen Strapse. Die Vorhänge hängen, bis sie nicht mehr hängen können. Die Ikonen sind in Blech gestanzt, es wird knisternd zu Vinyl getanzt. Marilyn und Elvis. Wurlitzer und American Heating. Gelborange schimmert die Jukebox in silbergrauer Flammengravur.

 


Interview mit dem Autor

Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Günter Vallaster: Welt entdecken. Menschen entdecken. Sprache entdecken. Sich selbst entdecken.

Welche Bedeutung hat „Kaffeehaus“ für dich?
GV: Als Treffpunkt für verschiedene Besprechungen nach wie vor eine sehr große. Die Atmosphäre aus Kaffee- und Kuchenduft und die patinabehaftete, Geschichte und Geschichten atmende Aura des Interieurs eines Kaffeehauses sind immer Inspirationen, die sich auch gut auf die Kommunikation auswirken.

Warum hast du das Café Bendl gewählt?
GV: Das Bendl ist für mich der Inbegriff von Kaffeehauspatina, alles scheint seit Jahrzehnten unverändert zu sein. Die Plakate gilben, nichts scheint verrückbar. Es ist Kaffeehaus und Kaffeehausmuseum oder -archiv in einem. Man kann auch alleine darin sitzen und dennoch ist die ganze Welt da. Im Interieur kann gelesen werden wie in einem Buch.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
GV: Arbeiten, lesen, schreiben, essen, trinken, schlafen und so weiter, die Dinge des Alltags eben. Wobei ich alles bis auf schlafen auch schon in einem Café gemacht habe.