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Gustav Ernst | Café Engländer, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Gustav Ernst, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Helmut Eisendle, Gert Jonke und Werner Kofler sagten, sie würden sicher noch vorbeikommen: Helmut auf ein Krügel, Gert auf einen doppelten Espresso, Werner auf ein Pils.
Auch Elfriede Gerstl wollte noch vorbeischauen, auf ein Achtel.
Ich warte immer noch.

 


Interview mit dem Autor

Was bedeutet Literatur für dich?
Gustav Ernst: Ein lustiges Gezwitscher aus der Hölle.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
GE: Anwesend und abwesend inmitten der Brandung.

Warum hast du das Café Engländer gewählt?
GE: Wo mir Freunde ans Herz wuchsen.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
GE: Mir den Kaffee im Kaffeehaus verdienen. Und das Glas Wasser.

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Susanne Gregor | Café Phil, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Susanne Gregor, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Wir bestellten Grüntee. Jedes Mal, wenn die Tür aufging, sah ich auf. Ich hatte keinen Plan. Nichts, das ich László hätte sagen wollen. Ich wollte bloß die Straßen sehen. Die staubigen, altgrauen Gebäude. Die Risse in den zerfallenden, gesprayten Mauern. Das blassgraue Grün der Bäume. Die Augen der Menschen hier. Ihre Münder, ihre Sprache. Ich wollte etwas entschlüsseln. Meine Hände strichen gerade über die unebene Tischplatte, als er es sagte. Du wartest auf jemand anderen, sagte er.

 


Interview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Susanne Gregor: Literatur ist für mich die schönste Kunstform, weil ich die Sprache liebe, sie ist für mich außerdem die beste Übung in Empathie sowie eine Art, Geschichte und die Zeit, in der wir leben, für die nächsten Generationen festzuhalten.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
SG: Kaffeehäuser bieten für Autoren die beste Möglichkeit, Menschen zu beobachten und Gespräche zu belauschen. Außerdem garantiert die Schreibarbeit im Kaffeehaus, dass einen nicht das plötzliche und dringende Bedürfnis überfällt, die Wohnung zu putzen, anstatt am Roman zu arbeiten.

Warum hast du das Café Phil gewählt?
SG: Ich habe das Café Phil gewählt, weil Wien selbst klassisch genug ist, da suche ich gerne modernere Lokale auf. Außerdem gefällt mir die Mischung aus Buchhandlung und Café, aus verweilen und lesen.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
SG: Das ist leicht: Wenn ich nicht im Kaffeehaus bin, bin ich am Spielplatz mit meiner Vierjährigen.

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Daniel Böswirth | Café Weingartner, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Daniel Böswirth, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

in ein wiener kaffeehaus trat einmal vor langer zeit ein busy businessman made in germany und klappte seinen laptop groß auf. er hämmerte auf seine weiche kunststofftastatur als wäre es eine alte, schwere olivettibüroschreibmaschine und hob fingerschnippend seine in ein elegantes sakko gekleidete anzughand, als wollte er seine sekretärin zu sich rufen. wie ein komet aus einem fremden universum schlug dieser raumgreiftend gelackte, aalglatte james dean der finanzwelt in die wiener schludrigkeit ein.

die kellnerin würdigte ihn keines blickes und erteilte ohne zu zögern die höchststrafe: wiener luft. sie blickte durch ihn hindurch. der begriffstutzige tastenklopfer erkannte seine chance nicht: flucht! er bestand beharrlich darauf, wahrgenommen und bedient zu werden. die kellnerin, eine grande dame mit aufgesteckter knödelfrisur, blickte lächelnd und amüsiert auf den mann herab und sagte laut, mehr zu den anderen gästen als zu ihm: „wissen sie was, kommen sie wieder, wenn sie zeit haben und den kaffee so richtig genießen können.”

mit roten kopf katapultierte sich der busy businessman mit harkigen schritten wieder selbst aus dem kaffeehausuniversum. schwingtürflattern. stille. die üblichen kaffeehausgeräusche füllten allmählich wieder den raum. die wiener gemütlichkeit war wieder hergestellt.

 


Interview mit dem Autor

Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Daniel Böswirth: Sie war es, sie ist es und sie wird es immer sein: die schönste Art aus dem Gefängnis der eigenen beschränkten Realität auszubrechen, um jene zu treffen, die auch ausgebrochen sind.

Welche Bedeutung hat “Kaffeehaus” für dich?
DB: Kaffeehaus ist für mich jener Ort, wo größtmöglichste Privatheit im öffentlichen Raum simuliert wird. Ich fühle mich wie zu hause und bin doch in der Fremde.

Warum hast du das Café Weingartner gewählt?
DB: Weil ich es mag und es gleich bei mir um die Ecke ist.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
DB: Ich arbeite als Fotograf, bin berufsbedingt viel in der Natur, spiele gerne Fussball, verbringe viel Zeit mit meiner Familie, mag kochen, noch lieber essen und geh gerne ins Kino.

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Nadine Kegele | Café Sperlhof, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Nadine Kegele, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

im zweiten war das Essen besser organisiert als im ersten für Schwangere gab es die Mutterkarte der Wald war voll Bärlauch die Erbsen voll Würmer wir mussten essen was auf den Tisch kam im Zoo starb ein Elefant beim Nachbarn wurde der Hund geschlachtet in der Zeitung stand was man nehmen kann wenn man keine Eier hat Kompott ohne Zucker Hasenschmalz Fischlaibchen und

wenn eine sagt sie hat nach dem Krieg keinen Hunger gehabt werde ich hysterisch vor Zorn die kann nur einen Besatzungssoldaten zum Freund gehabt haben anders gibt es das nicht auch die Care-Pakete haben nur Leute bekommen die im KZ gewesen sind oder eingesperrt waren wir normalen Bürger nicht wir mussten eine Münze in einen Apparat werfen keine Münze kein Gas kein Kochen aber

die Menschen waren viel zufriedener viel bescheidener damals wichtig war nur das Überleben denn eigentlich hätte es schlimm ausgehen können

 


Interview mit der Autorin

Was schreibst du und warum?
Nadine Kegele: Derzeit schreibe ich einen Roman, ein Kinderbuch, ein Theaterstück, ein Interview-Projekt mit zwanzig Frauen und ein Drehbuch will ich demnächst auch beginnen – weil Schreiben mein erster Beruf ist neben immer wieder mal nötigen Brotjobs, die ich im schlimmsten Fall für Geld durchdrücke und mir im besten Fall Freude bereiten und mich erinnern, dass es nicht wünschenswert ist, sich ausschließlich im abstrakten Raum der Literaturproduktion zu bewegen.

Schreibst du manchmal im Café?
NK: Nein.

Warum hast du das Café Sperlhof gewählt?
NK: Namentlich wird das Sperlhof oft mit dem Sperl verwechselt, aber das Sperl ist ein teures bürgerliches Kaffeehaus und das Sperlhof ist ein günstiges Spielecafé mit offenem Bücherschrank, Spendenbox für die Flüchtlingshilfe und einem zum Glück nie grantigen Besitzer. Das Sperlhof ist keine Kaffeehausbühne, das mag ich. Ich bilde mir ja nicht ein, dass ich um 1900 große Chancen gehabt hätte, als schreibende Proletarierin in den Kreis der bürgerlichen männlichen Kaffeehausliteraten aufgenommen zu werden, vielleicht fühlt sich ein Café deshalb nicht wie mein natürlicher Lebensraum an. Als Frau hätte ich sowieso erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts und nur in Begleitung eines Mannes Zutritt bekommen, davor nur als Sitzkassierin.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
NK: Ich bin sehr selten im Café. Ich rechne mir danach immer aus, was ich im Supermarkt dafür bekommen hätte. Als Testimonial fürs traditionelle Wiener Kaffeehaus tauge ich also nicht. Aber die Tradition des aufgehobenen Kaffees aus Neapel wäre mal eine, die es einzuführen und weiterzudenken gälte, damit nicht immer nur die im Kaffeehaus sitzen, die es sich leisten können.

 

 

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Jörg Zemmler | Café Stadtbahn, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Jörg Zemmler, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

gedämpft die saiten
der akkord verhallt
ein schluchzen
kaum bemerkt
kein taschentuch
und stille wieder
weit und breit
und schwer

wie sanft die
tankerschiffe gleiten
des abgrundtiefen
meers der
oberfläche nach

 


Interview mit dem Autor

Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Jörg Zemmler: Literatur ist eine Welt, in die ich beim Lesen als auch beim Schreiben eintauchen kann. Sie ist auch eine Kunstform, die viele Gesichter hat und die zu erforschen interessant sein kann.

Welche Bedeutung hat „Kaffeehaus“ für dich?
JZ: „Kaffeehaus“ ist für mich und ich glaube auch für viele andere etwas Typisches für Wien. Archetypisch mit Kellnern in Frack und Kronleuchtern. Beides interessiert mich aber nicht. Mehr hingegen eine gewisse Gemütlichkeit, die Kaffeehäuser gut und gerne oft haben.

Warum hast du das Café Stadtbahn gewählt?
JZ: Es ist eines meiner zwei Lieblingscafés in Wien. Es ist klein, wird von netten Leuten geführt, die Preise sind okay und es gibt einen Raucherbereich. Weiters finden hier auch Lesungen und Konzerte statt (ich hab im Café Stadtbahn auch schon gespielt),  eine große Auswahl an Bieren und für den Notfall sogar Absynth.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
JZ: Beispielsweise im Winter zu kalt haben, im Sommer ans Meer fahren, dazwischen mich auf das eine oder das andere freuen. Schreiben, Musik machen, experimentieren, mich durchschlagen. Hoffen, verzweifeln, schlafen gehn und wieder aufstehn. Letztens hab ich mir eine neue Brille gekauft.

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Anna Robinigg | Café 7*Stern, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Anna Robinigg, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

angstmoos
bleibt streckenweise
nachtwandlos

dann leitet deine stimme
störfunken in meiner un

gedachten
linie

 


Interview mit der Autorin

Was bedeutet dir Literatur?
Anna Robinigg: Entkommen, Eintauchen, Leben. Oder umgekehrt.

Welche Bedeutung hat „Kaffeehaus“ für dich?
AR: Gemütlichkeit, Gesellschaft, Inspiration, Konzentration: Nichts anderes tun müssen, und das tut gut.

Wie bist du im 7*Stern gelandet?
AR: Zufällig. Und es hat mich sofort angesprochen: Gedichte an der Wand, bewegte Geschichte, politischer Anspruch, Ausblick aufs Kosmostheater.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
AR: Suchen, zum Beispiel Wörter und Wege.

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Florian Gantner | Café Mocca, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Florian Gantner, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

In Kafkas letzter Erzählung beschreibt ein Dachs seinen Bau. Nicht ohne Stolz schildert er die labyrinthische Konstruktion seiner Heimstatt. Rundum zufrieden könnte er sein, gäbe es nicht zwei Dinge, die seine Ruhe stören. Die Vorräte, die sich am Burgplatz türmen, verlangen nach einer besseren Ordnung, aber vor allem der Eingang zum Bau ist es, der ihm Sorgen bereitet. Von den unzählig unternommenen Anstrengungen, dem Feind den Eintritt weiter zu erschweren, kann keine ihn gänzlich zufrieden stellen. Bisweilen muss der Dachs den Bau verlassen, wofür eben ein Ausgang benötigt wird. Doch jeder Ausgang kann unvermittelt zum Eingang für den Angreifer werden, das Rettungsloch sich zur Falle verwandeln.
Eines Tages nun erwacht der Dachs und hört ein ungewohntes Geräusch, eine Art Zischen.

Ich hebe den Blick zur Frau am Nebentisch, die eben sagte, man hole sich beim Chinesen um die Ecke nur eine Lebensmittelvergiftung.

Bevor die Nachbarin zu Besuch kam, um über dieses und jenes zu reden, pflegte mein Großvater stets sein Hörgerät abzudrehen.

 


Interview mit dem Autor

Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Florian Gantner: Ich gehe da ziemlich weit mit dem Großen Wahrig konform. „Gesamtheit der schriftlichen Äußerungen eines Volkes oder einer Zeit, (im engeren Sinne) dessen bzw. deren gesamtes schöngeistiges Schrifttum“. Obwohl, wenn ich die Definition laut Vorlesen müsste, würde ich bei ‚Volkes‘ etwas zaudern. Und ‚schöngeistig‘ ist auch so ein Wort …

Welche Bedeutung hat „Kaffeehaus“ für dich?
FG: Auch da klingt der Wahrig ganz vernünftig. Aber was weiß der schon von Wiener Kaffeehäusern?!

Warum hast du das Café Mocca gewählt?
FG: Im Sommer: der Garten (in dem sich fein sitzen lässt) und der Verkehr (der die Stimmen der anderen Besucher, die mich aus meiner Lektüre holen wollen, überdröhnt), im Winter: Großer Brauner, Bier, Kellnerinnenlächeln. Und ins Café Stadtbahn ist’s auch nicht weit!

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
FG: Beisln gibt’s ja auch noch. Manchmal bin ich aber auch in meiner Wohnung.

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Günter Vallaster | Café Bendl, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Günter Vallaster, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Bücke dich, sonst prellst du dich, am Türstock und am Lauf der Zeit. Bücke dich, heb die Stunden auf, die irgendwo verloren waren, jetzt sind sie wieder da. „Es ist kurz nach halb sieben“, lacht die Frau in Weiß mit grünem Schal. „Es ist halb acht“, lacht der Mann mit schwarzem Hut an der Bar. Beide haben recht. In diesen Räumen gilt jede Zeit. Aus dem Riemenboden knarren Jahrhunderte, aus den Spalten im Fauteuil schauen Jahrzehnte. Die Überzüge werden bis zum letzten Faden ausgesessen. Die Tische sind Marmorsockel für Figuren, die kommen, gehen, kommen. Und bleiben. Hier sind Kaffeetassen in Tapeten eingewebt. Hier werden Bierdeckel als Kunstwerke gefeiert. Die Leberkässemmeln tragen Strapse. Die Vorhänge hängen, bis sie nicht mehr hängen können. Die Ikonen sind in Blech gestanzt, es wird knisternd zu Vinyl getanzt. Marilyn und Elvis. Wurlitzer und American Heating. Gelborange schimmert die Jukebox in silbergrauer Flammengravur.

 


Interview mit dem Autor

Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Günter Vallaster: Welt entdecken. Menschen entdecken. Sprache entdecken. Sich selbst entdecken.

Welche Bedeutung hat „Kaffeehaus“ für dich?
GV: Als Treffpunkt für verschiedene Besprechungen nach wie vor eine sehr große. Die Atmosphäre aus Kaffee- und Kuchenduft und die patinabehaftete, Geschichte und Geschichten atmende Aura des Interieurs eines Kaffeehauses sind immer Inspirationen, die sich auch gut auf die Kommunikation auswirken.

Warum hast du das Café Bendl gewählt?
GV: Das Bendl ist für mich der Inbegriff von Kaffeehauspatina, alles scheint seit Jahrzehnten unverändert zu sein. Die Plakate gilben, nichts scheint verrückbar. Es ist Kaffeehaus und Kaffeehausmuseum oder -archiv in einem. Man kann auch alleine darin sitzen und dennoch ist die ganze Welt da. Im Interieur kann gelesen werden wie in einem Buch.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
GV: Arbeiten, lesen, schreiben, essen, trinken, schlafen und so weiter, die Dinge des Alltags eben. Wobei ich alles bis auf schlafen auch schon in einem Café gemacht habe.

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Gerhard Jaschke | Café Landtmann, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Gerhard Jaschke, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Im Kaffeehaus steht die Zeit scheinbar für einen Moment lang still trotz des Trubels. Kellner wuseln ums Eck. Eintretende Gäste wechseln mit ins Freie drängenden, Sekundenschläge prasseln hernieder, entscheidende Augenblicke pulsieren von Tisch zu Tisch bis in den hintersten Winkel des Lokals. Wäre man nur zu einer anderen Zeit zur Welt gekommen, hätte man ohne weiteres etwa mit Lenin oder Altenberg, Friedell, Kraus, Loos in einem Kaffeehaus sitzen können, wäre ihnen vielleicht sogar näher gekommen, hätte möglicherweise sogar eines Tages ein Wort mit ihnen gewechselt, doch auch Jahre später blieb dies Illusion. Da saß ja tatsächlich Thomas Bernhard und blätterte in großformatigen Zeitungen. Wer hätte schon gewagt ihn dabei zu unterbrechen? Und dort drüben, ganz richtig, war George Tabori in seiner Welt versunken. Niemand wollte ihn aus dieser ziehen, und schon gar nicht du.
Und da hört man vom Nebentisch ganz deutlich: „Ohne meine beiden Frauen hätte ich es nicht geschafft. Niemals!“ – und der Dichter notiert: „Seelenschnitte Walzerklang, date crown! Zwei Frauen ist zu trauen.“ Weiters unternimmt er rechnerisch den Versuch das heutige Datum zu enträtseln, zumindest auf eine Zahl zu bringen – 10.12.15 = 37 = 10 = 1

 


Interview mit dem Autor

Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Gerhard Jaschke: Die Literatur hat eine ganz große Bedeutung für mich. Sie ist mein Leben.

Welche Bedeutung hat „Kaffeehaus“ für dich?
GJ: Auch eine große, doch im Vergleich zur Literatur, eher eine geringe. Als ich noch meine Werkstatt in der Kutschkergasse regelmäßig aufsuchte, war das „Schopenhauer“ mein erweitertes Wohnzimmer, in dem ich mich gerne durch Zeitungen raschelte, Menschen beobachtete, Freunde traf. Auch das im Wohnhaus Zelinkagasse /Ecke Franz Josefs-Kai befindliche „Pelikan“ sagte mir zu, doch schloss es vor kurzem.

Warum hast du das Café Landtmann ausgewählt?
GJ: Das „Landtmann“, weil es leicht erreichbar für mich ist, weiters sehr geräumig – und auch über viel Lesestoff  verfügt.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
GJ: Daheim sein, arbeiten, zur Post gehen, Veranstaltungen besuchen. Nach Schlaganfall etwas eingeschränkter…