Nadine Kegele | Café Sperlhof, Wien
Foto: Alain Barbero | Text: Nadine Kegele, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)
im zweiten war das Essen besser organisiert als im ersten für Schwangere gab es die Mutterkarte der Wald war voll Bärlauch die Erbsen voll Würmer wir mussten essen was auf den Tisch kam im Zoo starb ein Elefant beim Nachbarn wurde der Hund geschlachtet in der Zeitung stand was man nehmen kann wenn man keine Eier hat Kompott ohne Zucker Hasenschmalz Fischlaibchen und
wenn eine sagt sie hat nach dem Krieg keinen Hunger gehabt werde ich hysterisch vor Zorn die kann nur einen Besatzungssoldaten zum Freund gehabt haben anders gibt es das nicht auch die Care-Pakete haben nur Leute bekommen die im KZ gewesen sind oder eingesperrt waren wir normalen Bürger nicht wir mussten eine Münze in einen Apparat werfen keine Münze kein Gas kein Kochen aber
die Menschen waren viel zufriedener viel bescheidener damals wichtig war nur das Überleben denn eigentlich hätte es schlimm ausgehen können
Interview mit der Autorin
Was schreibst du und warum?
Nadine Kegele: Derzeit schreibe ich einen Roman, ein Kinderbuch, ein Theaterstück, ein Interview-Projekt mit zwanzig Frauen und ein Drehbuch will ich demnächst auch beginnen – weil Schreiben mein erster Beruf ist neben immer wieder mal nötigen Brotjobs, die ich im schlimmsten Fall für Geld durchdrücke und mir im besten Fall Freude bereiten und mich erinnern, dass es nicht wünschenswert ist, sich ausschließlich im abstrakten Raum der Literaturproduktion zu bewegen.
Schreibst du manchmal im Café?
NK: Nein.
Warum hast du das Café Sperlhof gewählt?
NK: Namentlich wird das Sperlhof oft mit dem Sperl verwechselt, aber das Sperl ist ein teures bürgerliches Kaffeehaus und das Sperlhof ist ein günstiges Spielecafé mit offenem Bücherschrank, Spendenbox für die Flüchtlingshilfe und einem zum Glück nie grantigen Besitzer. Das Sperlhof ist keine Kaffeehausbühne, das mag ich. Ich bilde mir ja nicht ein, dass ich um 1900 große Chancen gehabt hätte, als schreibende Proletarierin in den Kreis der bürgerlichen männlichen Kaffeehausliteraten aufgenommen zu werden, vielleicht fühlt sich ein Café deshalb nicht wie mein natürlicher Lebensraum an. Als Frau hätte ich sowieso erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts und nur in Begleitung eines Mannes Zutritt bekommen, davor nur als Sitzkassierin.
Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
NK: Ich bin sehr selten im Café. Ich rechne mir danach immer aus, was ich im Supermarkt dafür bekommen hätte. Als Testimonial fürs traditionelle Wiener Kaffeehaus tauge ich also nicht. Aber die Tradition des aufgehobenen Kaffees aus Neapel wäre mal eine, die es einzuführen und weiterzudenken gälte, damit nicht immer nur die im Kaffeehaus sitzen, die es sich leisten können.