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Katharina Goetze | Villa Neukölln, Berlin

Foto: Alain Barbero | Text: Katharina Goetze

 

märz

du, der sich nicht bewegt
und ich, die so tut, als gäbe es da draußen was zu sehen
ihr schatten hängt noch immer an der wand
und ich erkenne dich
du bist jetzt ein fremder

so vieles wäre zeit
so vieles braucht zeit
in deinen augen fahren schiffe
und auf dem gehweg zertritt ein kind den ersten feuerkäfer des jahres
so sanft stirbt deine liebe für mich

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Katharina Goetze: Freiheit, Abenteuer, Hoffnung, Utopie, Schönheit. Zuflucht vor dem Wahnsinn.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
KG: Meine Vorstellung vom Paradies: Den ganzen Tag im Café verbringen, mit Notizbuch und Zeitung oder Laptop und Roman. Ab und zu kommen Freunde vorbei, in den Stunden zwischendrin entsteht ein neuer Text. Abends gibt es weißen Spritzer (oder in Berlin eben Weißweinschorle), wir stehen vor dem Café und irgendjemand spendiert mir eine Zigarette, weil ich eigentlich nicht rauche.

Warum hast du die Villa Neukölln ausgewählt?
KG: Vor meiner Zeit in Wien habe ich einige Jahre in Neukölln gewohnt. Ich komme immer wieder gern hierher, am liebsten nach einem Spaziergang auf dem Tempelhofer Feld. Mit der Villa Neukölln verbinde ich auch die Erinnerung an mein früheres Berliner Autor*innenkollektiv Novelists Anonymous. Hier ist zum Beispiel eine meiner ersten Kurzgeschichten – „Bevor ich für immer verschwand“ – entstanden.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
KG: Autofiktionale Texte in der 2. Person schreiben oder systemkritische Liebesbriefe, mit dem Zug von Berlin über Dresden und Prag nach Wien fahren und die ganze Zeit im Speisewagen schreiben, lesen, Tee trinken (fast schon ein mobiles Kaffeehaus), die raue Schönheit von Plattenbauvierteln bewundern, mich nicht entscheiden können, beim Radfahren laut singen, in Buchläden Wärme suchen, bei einer Runde über das Tempelhofer Feld oder durch den Prater eine aus den Fugen geratene Welt wieder zurechtrücken, zu spät ins Bett gehen.

 

BIO

Geboren 1984 in Dresden. Nach Stationen in England, Ägypten, Laos, Österreich und Äthiopien, lebt sie seit 2020 in Berlin. Studium der Journalistik, Soziologie und der Modernen Nahostwissenschaften in London, Kairo, Oxford.
Preisträgerin beim Bundeswettbewerb Treffen junger Autoren, Lyrik in Fahrt und zeilen.lauf-Wettbewerb 2017. Finalistin des Open Mike 2018, des FM4-Wortlaut 2017 und 2019, sowie des Irseer Pegasus 2020.
Veröffentlichungen in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien. Schreibt Prosa, Lyrik und Theaterstücke, und arbeitet derzeit an ihrem ersten Roman.