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Nina Panholzer | Café Bar Stern, Linz

Foto: Alain Barbero | Text: Nina Panholzer

 

Es ist kurz nach 11 Uhr. Ich sitze im Schneidersitz auf dem Krankenbett und warte auf meine Entlassung. Wie unpräzise ich einmal auf die Frage, was ich an meinem Körper mag, geantwortet habe, fällt mir ein: Meinen Busen, mein Handgelenk und die Schultern, sagte ich damals. Wie leichtfertig ungenau, denke ich heute. Ich mochte beide meiner Handgelenke, meinen gesamten Schultergürtel und beide meiner Brüste. Namen habe ich meinen Brüsten zwar keine gegeben und ich schenkte ihnen auch sonst wenig Beachtung. Aber sie waren schön geformt, sie waren fest und sie lagen gut in der Hand, fand ich.

Ich lege meine rechte Hand auf die Stelle meiner linken Brust, dabei fühle ich, wie sich mein Handgelenk der Wölbung meiner rechten Brust anpasst und meine Finger den freigewordenen Platz auf der linken Seite ausfüllen. Eine Linie bilden sie: meine übriggebliebene Brust, mein Handgelenk, meine fehlende Brust und meine Schulter.

Zwei Stunden später werden mir die Entlassungspapiere gereicht. Ich verabschiede mich vom Team der Onkologie 5, nehme meinen Trolley und gehe Richtung Aufzug.

Im Lift nehme ich die Maske ab. Auch wenn mein Jeanshemd den Unterschied kaschiert, ist er wahrnehmbar. Ich spüre die Tränen und lege zum Schutz meine rechte Hand erneut auf die linke fehlende Brust. Ich beiße mir auf die Lippen und schlucke die Tränen hinunter. Dann richte ich mich auf und drehe mich zum Ausgang. „Fuck you“, sage ich und platziere den Mund-Nasen-Schutz.

Beim Erreichen der Ausgangstür fällt mir ein, ich könnte meine Liste erweitern. Ich mag meine Nase – das Seitenprofil meiner Nase, um genau zu sein.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Nina Panholzer: Arbeit und Auszeit – immer gut.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
NP: Ditto.

Warum hast du das Café Stern ausgewählt?
NP: Erinnerungen. Früher haben wir hier noch geraucht. Und wie wir geraucht haben.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
NP: Daran denken, wie gerne ich es wäre.

 

BIO

Nina Panholzer, 1981 in Linz geboren, Sozialmanagement-Studium. Arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Kommunikationsberaterin. Zudem ausgebildete Supervisorin und Coach. Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur 2016/17, Arbeitsstipendium des Landes OÖ 2017.

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Jasmin Maria David | Café Bar Stern, Linz

Foto: Alain Barbero | Text: Jasmin Maria David

 

Sehnen

Ich würde eintreten, wenn ich könnte, ihm zunicken, lächeln und zu Boden sehen. Ich würde suchen, mich sehnen und unaufdringlich nach ihm spähen. Ich würde mich setzen, voller Freude, weil er auf mich wartet, immer wieder. Ich würde mich einrichten, umhersehen und in der Scheibe, gegenüber,
mein Ich sehen. Ich würde warten und verweilen, bis er kommt und fragt, wie immer? Ich würde erwidern, ihm bejahend zunicken und zaghaft entlang der Sitzbank streichen. Ich würde sie finden, die kleine Narbe, mit den Fingern erkunden und zärtlich umrunden. Ich würde lächeln, wenn er zurückkommt, ihm danken und nachsehen, Blick um Blick. Ich würde ihn fassen, mit meinen Händen, eng umschlingen und sachte zu mir ziehen. Ich würde mich wärmen, ihn mit meinen Lippen berühren, hauchen und mich spielen. Ich würde einen Schluck nehmen, würde schmecken, schlucken, Zunge, Gaumen, Hals, Brust. Ich würde meine Augen schließen und mich zurücklehnen, würde ankommen und genießen.

All dies würde ich, wenn ich könnte, was ich wollte. Ich würde lächeln, lieben, leben. Bis ich werde, wenn ich kann, was ich will, werde ich warten und mich sehnen. Tag für Tag.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich? 
Jasmin Maria David: Literatur ist die Tür in eine wunderbar schillernde Welt. Sie ermöglicht (Selbst)Reflexion und ist zugleich Spiel. In und mit ihr ist alles möglich und das Nichts erreichbar. Für mich ist Literatur notwendige Bedingung, um mich zu spüren.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
JMD: Cafés sind magische Orte voller Leben, Liebe und Geschichten, in denen ich viel zu selten verweile.

Warum hast du Café Bar Stern ausgewählt?
JMD: Weil es ein Stück Zuhause ist. Ein Platz mit einer unheimlich schönen Atmosphäre, wo Herzensmenschen aufeinandertreffen. Hinter der Bar ab und an eine Fee und auf der Decke ähnlich viele Blätterranken wie im Regenwald.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
JMD: Viel zu viel anderes.

 

BIO

Jasmin Maria David, geboren 1985 in Linz. Masterstudium für Kunstwissenschaft und Philosophie. Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in Linz. Veröffentlichungen Kunstwissenschaftlicher Texte, Kurzgeschichten, Gedichte und Buchrezensionen in diversen Magazinen, Online-Plattformen und Zeitungen. Absolventin der Leondinger Akademie für Literatur. Themenschwerpunkte: Beobachtungen zu ihrer Um- und Mitwelt, der Natur, zwischenmenschlichen Begegnungen und der eigenen Lebensgeschichte. Viele Texte beinhalten autobiografische Elemente.