Mamadou Mahmoud N’Dongo | Bar Bukowski, Amsterdam

Foto: Alain Barbero | Text: Mamadou Mahmoud N’Dongo | Übersetzung aus dem Französischen: Daniela Gerlach 

 

Charles Bukowski (1920-1994) war der erste Schriftsteller, dessen Biographie ich las, als ich auf dem Gymnasium war. Eine pittoreske Figur der Westküste, Underground-Poet des Suffs, des Sex, Novellist und Erzähler des Gothisch-Absurden, ein Romancier des Lumpenproletariats. Ein großzügiger Schriftsteller, der sich der Selbstironie und des Humors bediente. Chronist des künstlerischen L.A. – so lernte ich durch ihn das Werk von John Fante kennen. Bukowski war der talentierte Porträtist eines anderen Amerikas aus Kneipengängern, himmlischen Pennern, ätherischen Schönheiten, wunderbar verkörpert von Faye Dunaway in dem großartigen Film Barfly von Barbet Schroeder, wo Mickey Rourke Chinaski ist, also Bukowski! 

Einige Jahrzehnte später, Freude und Überraschung, als ich in meinem neuen Viertel in Amsterdam die so passend benannte Bar Bukowski entdecke. 


Interview mit dem Autor

Was kann Literatur?
Mamadou Mahmoud N’Dongo: Schlechte Schriftsteller machen 

Welche Bedeutung haben Cafés für dich? 
MMN: Es gibt eine Erzählung von Borges mit dem Titel „Das Aleph“,  in der man diesen Satz findet: „(…) und mir schwindelte und ich weinte, weil meine Augen dieses geheime und auf Vermutungen beruhende Objekt gesehen hatten, dessen Namen die Menschen sich aneignen, aber das nie ein Mensch geschaut hat: das unfassbare Universum. (…)“*
Ist es dir schon mal passiert, dass du durch ein Land, eine Stadt, ein Viertel oder auch nur durch eine Straße spazierst, und du zufällig um die Ecke biegst und auf ein Café triffst? Du siehst an seiner Architektur, seinem Licht, seinem Dekor und den Menschen, die dort sind, dass du nicht mehr in einer Straße, einem Viertel, einer Stadt oder einem Land bist, sondern dass dieses Café ein ganzes Universum ist, und manchmal, ich sage manchmal, hast du den Eindruck, die Figur, der Erzähler des „Aleph“ zu sein …, so kann dieses Café, diese Bar, eine Art „Horizont der Ereignisse“ sein; wenn du die Schwelle überschreitest, tauchst du ein!

Wo fühlst du dich zu Hause?
MMN: In meinem Innersten. 

 

BIO

Mamadou Mahmoud N’Dongo, 1970 im Senegal geboren, ist Schriftsteller, Dramaturg, Fotograf und französischer Filmemacher, der in Drancy und Amsterdam lebt. Seine ersten Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Berichte veröffentlichte er ab 1997. Neben seinem literarischen Werk ab 1991, wurde er Dokumentarfotograf und drehte experimentelle Filme. 

*Freie Übersetzung aus dem Spanischen El Aleph von Jorge Luis Borges (Seix Barral)

Andrea Grill | Mediamatic, Amsterdam

Foto: Alain Barbero | Text: Andrea Grill 

 

Fragebogen

  1. Kennen Sie eine Sehnsucht?
  2. Betrifft Ihre Sehnsucht einen Menschen oder einen Ort?
  3. Wenn ja, wen?
  4. Oder, wohin?
  5. Was würden Sie tun, um Ihre Sehnsucht zu stillen?
  6. Würden Sie sie denn stillen wollen?
  7. Würden Sie dafür den Ort, an dem Sie leben, verlassen? Für immer?
  8. Würden Sie dafür Ihren Geliebten / Lebensgefährten aufgeben?
  9. Ist Ihr Geliebter / Ihre Geliebte Ihre Sehnsucht?
  10. Führt Ihre Sehnsucht Sie wieder und wieder in eine Zeit, als Sie jünger waren?
  11. Ist Ihre Sehnsucht Ihre Mutter?
  12. Wenn nein, ist Ihre Sehnsucht Ihr Vater?
  13. Wen würden Sie in diesem Moment am liebsten bei sich haben?
  14. Ist es ein Mensch?
  15. Würden Sie mit diesem Menschen die Nacht verbringen wollen?
  16. Wieviele Sehnsüchte gibt es, Ihrer Ansicht nach?
  17. Waren Sie schon einmal an einem Ort, an dem alle Sehnsüchte von Ihnen abgefallen sind?

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was kann Literatur?
Andrea Grill: Alles. (Und nichts.)

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
AG: Die italienischen Bars liebe ich seit jeher.
Sie heißen Bar, sind aber um sieben Uhr in der Früh schon offen.
Du kannst jederzeit allein hineingehen.
Oder zu soundsovielt.
Du brauchst dich nicht hinzusetzen.
Der Kaffee ist billig, schmeckt köstlich.
Du zahlst im Stehen an der Kassa.
Alle schnattern unentwegt.
Die Fenster sind hoch.
Die Theke glänzt.
Im Sommer gibt es Eis.

In Wien habe ich früher meine Texte immer in Kaffeehäusern korrigiert. Habe genossen, dass ich bestellte, mir gebracht wurde; ich aber auch stundenlang sitzen bleiben konnte, ohne etwas Neues zu bestellen.

Kaffee ist mein Lieblingsgetränk.

In Amsterdam sind die Terrassen das wichtigste an den Cafés, das Sitzen unter den Weiten des Himmels.

Wo fühlst du dich zu Hause?
AG: Wo meine Füße stehen. Hätte ich früher gesagt. Mittlerweile würde ich sagen: die Sprachen, die ich spreche und verstehe, sind mein Zuhause. Wo ich im Kaffeehaus bestellen kann; und scherzen. Und die Leute mit mir lachen.

 

BIO

Andrea Grill lebt als Dichterin und Schriftstellerin in Wien und Amsterdam, macht Kurzfilme und übersetzt aus mehreren europäischen Sprachen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis (2011) und dem Anton-Wildgans-Preis (2021). Der Roman „Cherubino“ war 2019 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Ihr Gedichtband „Happy Bastards“ stand auf der Liste der Lyrikempfehlungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. www.andreagrill.org