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Eva Woska-Nimmervoll | Café Central, Baden

Foto: Alain Barbero | Text: Eva Woska-Nimmervoll

 

Ich betrete das Café.

Gehe ich gerade? Ich stolpere so dahin. In großen Spiegeln beobachte ich mich und andere, die mich beobachten. Sehen und gesehen werden war immer schon wichtig. Man schaut automatisch, wenn sich irgendwo etwas bewegt; jetzt ich beim Mantel-Aufhängen. Meine Haare bilden keine Frisur. Ich sehe komisch aus. Musste der Lippenstift sein? Ich trage sonst nie Make-up, kenne keine Tricks, wie man sich volle Lippen schminkt. Ich bin ja auch keine Mode-Bloggerin. Ich schreibe literarische Texte, das geht ohne angemalte Lippen. Und mit Haaren unter den Achseln. So ungeschminkt und unrasiert kann ich – kann man? – mich eher ernstnehmen. Das ist authentisch. Die jungen Schriftstellerinnen rasieren gerade deshalb nicht. Unrasierte Achseln sagen I don’t give a damn, widersprechen sich selbst damit. Aber wie sie sich widersprechen ist cool. Früher war ich das auch, doch die letzten Jahre dann feig und rasiert.

Ich bestelle einen Kaffee.

Und jetzt wieder aufs Rasieren scheißen, nur weil die Jungen es tun? Könnte mir doch völlig egal sein, was andere denken. Ist es mir aber nicht. Andererseits: Man muss ja nicht aus allem ein Statement machen. Gerne heute so und morgen wieder anders. Also auch mal Lippenstift, wenn mir gerade danach ist. In jedem Fall nicht zu dick auftragen. Wofür brauche ich Applaus – bin ich eitel oder unsicher? Ich halte es wohl nicht aus, statt mit Bewunderung mit Abscheu oder gar Verachtung angestarrt zu werden. Die Zweifel schmecken bitter durch den Kaffee, durch das Wasser, durch jede Torte.

Später stolpere ich wieder durch den Raum mit dilettantisch angemalten Lippen und tu so, als wäre ich cool. Niemand starrt. Reine Selbstbeobachtung. Ich schwitze vor lauter Nachdenken. Cool ist nur, wer gar nicht darüber nachdenkt, ob er cool ist.

Also gehe ich nach Hause und schreibe.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Eva Woska-Nimmervoll:  Lesen und Schreiben von anspruchsvollen Texten, die mich berühren und mir neue Einsichten verschaffen. Beim Schreiben lerne ich Figuren kennen, die mir etwas über mich erzählen. Die Literatur und ihr Betrieb ergeben aber auch eine Parallelwelt. Voll mit Spiegeln und dem ganzen eitlen Kram, den es genauso in der Anspruchslosigkeit gibt. Bücherstapel dienen als Podeste und Sprungbretter irgendwohin.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
EW-N: In einer Stadt Zuflucht und Ruhepol, in einem Dorf eher Raum für Begegnung und Trubel. Kaffeehäuser sind Kultplätze mit mystischen Ritualen, nicht nur für Eingeweihte.

Warum hast du das Café Central in Baden ausgewählt?
EW-N: Weil es unaufgeregt und zeitlos ist. Es macht nicht auf alt, gibt sich nicht modern. Man erkennt die heutige Zeit nur am Händetrockner am Klo und an der hippen Auswahl an Teesorten. Sonst wirkt es wie vor dreißig Jahren. Damals hatte ich schon den Eindruck, es erinnert an eine frühere Zeit. Der Blick auf die Pestsäule gemahnt uns stets, glücklich zu sein, heute zu leben und nicht in Zeiten der Pest.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
EW-N: Dann sitze ich auf meinem Balkon und spiele, ich bin im Kaffeehaus.

 

BIO

geb. 1969 in Mödling, aufgewachsen in Baden, Niederösterreich. Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaften in Wien, freie Journalistin, Schreibpädagogin; zeitweise auch Sängerin (Singer/ Songwriter, Irish Folk). Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV) und des Berufsverbandes österreichischer SchreibpädagogInnen (BÖS). Diverse Preise und Stipendien (u.a. Förderpreis Harder Literaturpreis 2016), Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturzeitschriften. 2019 erschien ihr erster Roman „Heinz und sein Herrl“ bei Kremayr & Scheriau.