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Daniela Gerlach | Bodega Casa Benjamín, Dénia

Foto: Alain Barbero | Text: Daniela Gerlach

 

Vielleicht war´s nur …

Ich sitze wirr im Café Wirr und schlürfe Wörter aus der Tasse.
Da kommt ein Mann mit Stock und bietet mir die Zeitung an. Sie ist von 1910 und riecht nach feuchtem Hundefell. Ich nehme sie und lese breit, der Mann mit Stock, der wartet still.
Auf einmal purzeln Wörter raus, aus Mund und Nase, aus dem Blatt. Wir heben manches auf und stecken´s in die Jackentasche.
Das Blatt wird leer, der Kaffee kalt, der Rest an Wörtern schwimmt am Grund.
Ja, mein Herr, es ist wie damals. Er nickt, ganz recht, die Zeit vergeht.
Nur die wirrtenWörter bleiben.

(Vielleicht war alles nur ein Tagtraum im Casa Benjamín. Vielleicht)

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was kann Literatur?
Daniela Gerlach: Sie kann uns ebenso bewegen, aufrütteln, als auch beruhigen und uns zum Nachdenken bringen, Freude bereiten. Alles, wozu wir als Menschen fähig sind, kann Literatur, sowohl  im positiven als auch negativen Sinn.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
DG: Sie sind Zwischenorte, ein besonderer Raum zwischen dem mir Bekannten, Gewohnten und dem Raum, der voller Fremdheit, dabei voller Erwartungen ist, in dem alles Mögliche passieren kann, auch in meiner Phantasie. Und hier wiederum ist eine Verbindung zu einer neuen Geschichte möglich.

Wo fühlst du dich zu Hause?
DG: Nirgendwo wirklich zu Hause, höchstens wohl. Das ist dort, wo meine Freunde sind, meine Arbeit, wo mir gewisse Gewohnheiten lieb geworden sind, wo ich atme.

 

BIO

In Dortmund geboren, in Spanien Fuß gefasst, ansonsten auf Reisen.
In Dénia betreibt sie den kulturellen Salon la ñ. Sie ist Mitglied des LiteraturRaumDortmundRuhr, mit dem sie verschiedene literarische Projekte realisiert hat.
„Die Art der Geschichten und ihre Personen sind nie gleich, sie rollen und kräuseln sich wie die Wellen, sie haben ihre Melodie, die mir zu Ohren kommt, wenn ich sie schreiben soll. Zur Zeit ist es eine Folge von „Im Dorf der Witwen“, was gar nicht geplant war.“ 
www.danielagerlach.de

Blog Entropy, Barbara Rieger, Alain Barbero, Pascal Dessaint, L'Évasion, Toulouse

Pascal Dessaint | L’Évasion Bar, Toulouse

Foto: Alain Barbero | Text: Pascal Dessaint | Übersetzung aus dem Französischen: Daniela Gerlach

 

Wenn man vernünftig ist
überquert man nicht die Strasse
um der Unbekannten zu sagen dass sie einen verwirrt

Wenn man vernünftig ist
nimmt man nicht den Weg
der zu der unbeachteten Schönheit führt

Wenn man vernünftig ist
begibt man sich niemals aus reinem Vergnügen
in die Gefahr zu fallen

Wenn man vernünftig ist
hat man niemals Träume die sich nicht erfüllen könnten
und das ist schade

Wenn man vernünftig ist
hat man nie die Wahrheit vor Augen
ein magisches Gefühl ein rotes Kleid

 


Kurzinterview mit dem Autor

Was kann oder soll Literatur?
Pascal Dessaint: Sie soll vor allem Freude bereiten. In dem Moment aber, wenn sie von der Welt zeugt, scheint sie mir auch eine essentielle Funktion zu erfüllen. Bezeugen, und vielleicht auch manchmal sich empören, warnen!

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
PD: Cafés sind der Rahmen für viele Szenen in meinen Romanen. Manchmal hänge ich da ab, um den Puls der Zeit zu fühlen, in der Hoffnung, jemanden zu finden, der mich inspiriert. Es ist schon oft passiert, dass ich einem meiner zukünftigen Charaktere begegnet bin …

Wo fühlst du dich zu Hause?
PD: Momentan, oft weit weg von den Menschen! Ich versuche, so oft wie möglich dem Gelärme der Zivilisation zu entkommen, und das wird immer schwieriger. Ein Berg, ein Wald, eine Heidelandschaft … Da, wo ich meine Zerbrechlichkeit spüre, und wie relativ meine Wichtigkeit ist.

 

BIO

Pascal Dessaint wurde in Dunkerque geboren. Er lebt in Toulouse. Seine Romane wurden mit dem Grand Prix de la littérature policière (Großer Preis für Krimi-Literatur), dem Prix Mystère de la Critique und dem Jean-Amila Meckert-Preis ausgezeichnet. 1999 erschien „Du bruit sous le silence“, der erste Krimi, der in der Welt des Rugby spielt. Seit „Mourir n’est peut-être pas la pire des choses“, 2003,  geht es in vielen seiner Bücher um die misshandelte Natur. In „Loin des humains“, 2005, beschwört er die Katastrophe im Chemiewerk AZF in Toulouse herauf und den Metaleurop-Skandal in „Les derniers jours d’un homme“, 2010. Unter seinem Werk befinden sich auch persönlichere Schriften sowie Chroniken und Streifzüge „Vertes et Vagabondes“.
Bücher, die auf Deutsch erschienen sind: „Schlangenbrut“ (DistelLiteratur, 2005), „Verlorener Horizont“ (Polar Verlag, 2021).
www.pascaldessaint.fr
Facebook Page Officielle

 

Blog Entropy, Barbara Rieger, Alain Barbero, Daniela Gerlach, Café Strickmann, Café, Kaffeehaus, Dortmund

Daniela Gerlach | Café Strickmann, Dortmund

Foto: Alain Barbero | Text: Daniela Gerlach

 

Papierweiß auf dem Glastisch, immer noch der grüne Untergrund. Tief grün so wie die Vergangenheit riecht, urgründlich. Frau W. stellt eine Tasse Kaffee darauf. Ein kurzer Blick, darin das Wissen der letzten 30 Jahre an diesem Ort. Erkennt sie mich?
Sie weiß etwas von mir, von dem ich nichts weiß.
Papierweiß. Ich schreibe nicht. Sie sieht auch das.
Der Kuchen in diesem Café tröstet über das Erfahrene und Überstandene hinweg, über das schlimme und schöne Erlebte, das Verlorene, in der Erinnerung aufbewahrt. Hier ist alles Sehnsucht. Ich frage überflüssigerweise: Wonach nur? In mir verborgen, jederzeit aus dem grünen Urgrund der Tische zu holen.
Ein Moment. Ein Ort, wo ich. Bin.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Daniela Gerlach: Sie ist von existentieller Bedeutung, eine Notwendigkeit. Ohne Literatur ist der Mensch nur ein halber. Und ich natürlich auch. 

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
DG: Sie spiegeln das Spezifische eines Ortes, z.B. einer Stadt, wider. Darin tauche ich gerne ein. Es ist wie durch eine Wand zu gehen und dahinter zu schauen. Ich kann auf einmal mittendrin sein, meine Schlüsse ziehen oder überlegen, wie ich mich fühle.

Warum hast du das Café Strickmann ausgewählt?
DG: Weil ich zur Melancholie neige und sentimental bin. Das Strickmann erinnert an die Kaffeehaus-Kultur von einst, an etwas, von dem ich glaube, dass es verloren geht, das ist schmerzlich. Hier wird etwas Altes bewahrt und in unsere Zeit gereicht. Ein Geschenk. Außerdem ist der Kuchen gut und die Bedienung sehr freundlich.
Ich war schon als Kind hier. Diese Verbindung von der kleinen Daniela zu der Frau, die ich jetzt bin, das lässt mich sentimental werden.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
DG: Ich schau mich draußen um und hetze manchmal durchs Leben.

 

BIO

Daniela Gerlach wurde in Dortmund geboren. Lebt seit 1997 in Spanien, wo sie den Kultur-Salon la ñ betreibt. Pendelt zwischen Spanien und Ruhrgebiet. Verbandelt mit dem LiteraturRaumDortmundRuhr.
„Revierkönige“ (Roman); „Was das Meer nicht will“ (Roman, Stories&Friends).