Schlagwortarchiv für: Eferding

Karin Peschka & Marianne Jungmaier | Eferdinger Gastzimmer, Eferding

Foto: Alain Barbero | Text: Karin Peschka & Marianne Jungmaier

 

aus alter Geschichte
in Zeiten des Dunkels
ein Spiegel
tritt hervor

Die erste Begegnung im Oktober 2011, alte Schmiede in Wien. Schwarze Eisen, Gewölbe und Ambos, Werkzeug an den Wänden, dazwischen wir Lesenden, vor uns das Publikum auf seiner Tribüne. Warst Du nervös? Ich war es bestimmt.

ein bekanntes Gesicht
belassen, lichtvoll
versteht sich sofort
auf Freundschaft

Jetzt ist es so. Wir gehen zwischen den Feldern unsere Wege, lauschen einander, stützen einander, mögen einander. Du lachst, weil ich jeden Hund, der uns begegnet, grüßen muss. Ich lächle, weil Du Marmeladen einkochst und alle Gläser verschenkst. 

ein Verständnis
aus dem Tagwerk
des Schreibens
erspürt

Aus unserer Nähe und unseren Distanzen haben sich Räume ergeben. Den Entschluss, einen davon so zu nützen, wie wir es tun, verdank ich Dir. Eine Ahnung von früher. Das Gastzimmer voll, an Stelle von Wirtshausgeräuschen (Geschirr auf Geschirr, Glas an Glas) das Umblättern von Buchseiten.

ein Schwingen
unter Anverwandten
im Gleichschritt
an der Zeit gesägt

Im Kaffeehaus sitzen wir auf unseren Plätzen. Du mir gegenüber, eine Nische im Durchgang, nicht ganz drinnen und nicht wirklich draußen. Den Kellnerinnen vertraut, und der Strohhalm zu Deinem Café Latte ist mittlerweile Geschichte. Oder auch nicht. Eferding ist ein Überraschungspaket.

im Herz
ein Talisman
aus off‘nem Blick
und lauschend‘ Ohr

Wir zwei reisen unterschiedlich. An Orte, im Schreiben, in Projekten. Wir kommen dort, wo wir hinwollen, wo es uns hinzieht, auf andere Art an. In anderer Form. (Welche Musik hörst Du? Ich weiß es kaum. Kann das sein?) Dass auch Du unterwegs bist, in einer parallelen Welt, ist gut. 

eine Rückkehr
in die vertrauen Worte
ein weiches Nest
aus Vorsicht und Behaglichkeit

 


Kurzinterview mit den Autorinnen

Was kann Literatur? 
Karin Peschka: Ist dazu nicht schon alles gesagt? Spontan habe ich geschrieben und gleich wieder gelöscht: „Nix und viel.“ Jetzt steht es doch wieder da. Vielleicht stimmt es ohnehin.
Marianne Jungmaier: Berühren, verstören. Im besten Fall inspirieren.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich / euch?
KP: In meinen ersten Jahren in Wien war ein Café in der Otto-Bauer-Gasse mein erweitertes Wohnzimmer, da gleich ums Eck und daheim wenig Ruhe. Jetzt gehe ich eher nur zum Lesen und Mails-beantworten ins Kaffeehaus. Im Eferdinger Kaffeehaus Vogl arbeite ich nicht, sondern halte Hof. (Ein Scherz.)
MJ: Freundinnen und Kolleginnen treffen. (Männer sind mitgemeint.) Menschen beobachten, versteckt hinter einem Verlängerten und einem großen Glas Wasser. Das Kaffeehaus, besonders jenes in Wien, ist immer auch Heimkehr.

Wo fühlst du dich / euch zu Hause?
KP: Dort, wo ich länger bin. Also im kleinen Eferding und im großen Wien, aber nach vier Wochen Belgrad oder Pristina auch dort.
MJ: An vielen Orten. In Boudhanath, Nordkalifornien, London. Am Almsee, in Gmunden, im Kindheitsdorf. Immer: unter Bäumen.

 

BIO

Karin Peschka, geboren 1967, aufgewachsen in Eferding, Oberösterreich. Lebt und arbeitet in Wien und Eferding. Im Otto Müller Verlag, Salzburg, bisher erschienen: Watschenmann (Roman, 2014), FanniPold (Roman, 2016), Autolyse Wien (Erzählungen, 2017), Putzt euch, tanzt, lacht (Roman, 2020), Dschomba (Roman, 2023). Im Juli 2024, ebendort: Bruckners Affe (Theaterstück & Essay).
www.peschka.at

Marianne Jungmaier, 1985 in Linz (Österreich) geboren. Studierte Digitales Fernsehen, Film- und Kulturwissenschaften, Journalismus. Unterrichtet kreatives Schreiben. Zahlreiche Stipendien und Residencies, u.a. in den USA, Italien, Schottland, Island. Publikationen (Auswahl): Gesang eines womöglich ausgestorbenen Wesens (Lyrik, 2024, Otto Müller Verlag), Sommernomaden (Stories, Kremayr & Scheriau, 2016), Das Tortenprotokoll (Roman, Kremayr & Scheriau, 2015).
www.mariannejungmaier.at

Marlene Gölz | Café Vogl, Eferding

Foto: Alain Barbero | Text: Marlene Gölz

 

Manchmal war die morsche, von Flechten überzogene Holzbank unter der Linde von der Dorfjugend besetzt, aber an dem Tag nicht, Karo hatte Glück. Sie stellte die Bank Richtung Nordwesten, strich über die in die Lehne geritzten Buchstaben, setzte sich, drückte die Bierdose auf und hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, alles richtig zu machen. „Ich brauch kein Meer“, sagte sie, beim Blick hinunter ins Tal, zu Nobody, der neben ihr saß. Am Horizont schien eine Baumgruppe zu brennen, der Kampf der Sonne gegen ihr Untergehen. Orange Schlieren durchzogen das gleißende Licht und mischten sich mit bläulichen Wolken, die sie meinte wie Zuckerwatte vom Himmel zupfen zu können. Als wollte sie ihre Gedanken prüfen, griff Karo nach einer Wolke und steckte sie in den Mund. Wie Wolken wohl schmecken. In jedem Fall musste man zu den bläulichen greifen, Orange und Gelb würden einem durch die Finger rinnen. Karo schloss die Augen, nur um im nächsten Moment festzustellen, dass sich der Abendhimmel verändert hatte.
Verrückt werden, das wäre nicht schwer, dachte sie. Aber auch, dass das Geheimnis darin läge, so etwas nicht denken zu dürfen, sonst wäre das mit dem Verrücktwerden vorbei ehe es richtig begonnen hat. 

aus: K.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Marlene Gölz: Ich erinnere mich an so etwas wie einen Erweckungsmoment, ich konnte gerade lesen. Christine Nöstlinger: Ein Kind geht die Straße entlang. Es tritt nur auf jeden zweiten Pflasterstein, versucht, nicht die Fugen zu berühren. Das beeindruckte mich. Dass da jemand genauso geht wie ich. Dass da etwas zur Sprache kommt, was DA ist, worüber jedoch sonst nicht gesprochen wird, weil es ja scheinbar nicht wichtig ist. Für mich war es wichtig. Ich habe mich erkannt. Leseerfahrungen in der Intensität passieren selten. Aber wenn, dann ist so ein Buch ein echter Schatz, dann bedeutet Literatur: sich begegnen, sich vergessen, auf Reisen gehen, verstanden werden, zuhause sein.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
MG: Heute: sich Zeit nehmen, der Geschwindigkeit entkommen, im Unterwegssein einen Platz finden.

Warum hast du das Café Vogl ausgewählt?
MG: Weil ich hier Stadtschreiberin bin und Eferding ohne das Café Vogl eigentlich nicht denkbar ist.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
MG: Dann halte ich mich meist an Orten auf, die ich ebenfalls sehr mag: Züge, Natur, mein Zuhause und mein Arbeitsplatz, eine Bibliothek.

 

BIO

*1978 in Linz, arbeitet als Autorin, Lektorin und freiberuflich im StifterHaus Linz; seit 2017 literarische Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien; div. Preise und Stipendien u. a. Marianne.von.Willemer.Frauenliteratur-Preis der Stadt Linz (2017), Literaturpreis Akademie Graz (2018), BMUKK-Startstipendium (2018),  Stadtschreib-Stipendium Eferding (2022);
www.marlenegoelz.com