Marlene Gölz | Café Vogl, Eferding

Foto: Alain Barbero | Text: Marlene Gölz

 

Manchmal war die morsche, von Flechten überzogene Holzbank unter der Linde von der Dorfjugend besetzt, aber an dem Tag nicht, Karo hatte Glück. Sie stellte die Bank Richtung Nordwesten, strich über die in die Lehne geritzten Buchstaben, setzte sich, drückte die Bierdose auf und hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, alles richtig zu machen. „Ich brauch kein Meer“, sagte sie, beim Blick hinunter ins Tal, zu Nobody, der neben ihr saß. Am Horizont schien eine Baumgruppe zu brennen, der Kampf der Sonne gegen ihr Untergehen. Orange Schlieren durchzogen das gleißende Licht und mischten sich mit bläulichen Wolken, die sie meinte wie Zuckerwatte vom Himmel zupfen zu können. Als wollte sie ihre Gedanken prüfen, griff Karo nach einer Wolke und steckte sie in den Mund. Wie Wolken wohl schmecken. In jedem Fall musste man zu den bläulichen greifen, Orange und Gelb würden einem durch die Finger rinnen. Karo schloss die Augen, nur um im nächsten Moment festzustellen, dass sich der Abendhimmel verändert hatte.
Verrückt werden, das wäre nicht schwer, dachte sie. Aber auch, dass das Geheimnis darin läge, so etwas nicht denken zu dürfen, sonst wäre das mit dem Verrücktwerden vorbei ehe es richtig begonnen hat. 

aus: K.

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Marlene Gölz: Ich erinnere mich an so etwas wie einen Erweckungsmoment, ich konnte gerade lesen. Christine Nöstlinger: Ein Kind geht die Straße entlang. Es tritt nur auf jeden zweiten Pflasterstein, versucht, nicht die Fugen zu berühren. Das beeindruckte mich. Dass da jemand genauso geht wie ich. Dass da etwas zur Sprache kommt, was DA ist, worüber jedoch sonst nicht gesprochen wird, weil es ja scheinbar nicht wichtig ist. Für mich war es wichtig. Ich habe mich erkannt. Leseerfahrungen in der Intensität passieren selten. Aber wenn, dann ist so ein Buch ein echter Schatz, dann bedeutet Literatur: sich begegnen, sich vergessen, auf Reisen gehen, verstanden werden, zuhause sein.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
MG: Heute: sich Zeit nehmen, der Geschwindigkeit entkommen, im Unterwegssein einen Platz finden.

Warum hast du das Café Vogl ausgewählt?
MG: Weil ich hier Stadtschreiberin bin und Eferding ohne das Café Vogl eigentlich nicht denkbar ist.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
MG: Dann halte ich mich meist an Orten auf, die ich ebenfalls sehr mag: Züge, Natur, mein Zuhause und mein Arbeitsplatz, eine Bibliothek.

 

BIO

*1978 in Linz, arbeitet als Autorin, Lektorin und freiberuflich im StifterHaus Linz; seit 2017 literarische Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien; div. Preise und Stipendien u. a. Marianne.von.Willemer.Frauenliteratur-Preis der Stadt Linz (2017), Literaturpreis Akademie Graz (2018), BMUKK-Startstipendium (2018),  Stadtschreib-Stipendium Eferding (2022);
www.marlenegoelz.com