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Patrick Wilden | Café Combo, Dresden

Foto: Alain Barbero | Text: Patrick Wilden

 

Ich weiß nicht wohin

„die Voraussetzung, ein Gedicht zu schreiben ist, dasz du verrückt bist und dasz du es ohne Absicht beginnst“
Friederike Mayröcker

Der unsichtbare Coffeetable-Mops hockt
neben mir auf der Sitzbank und legt
die Stirn in Fellfalten

Ich raschele subtil mit der Zeitung
und recke bedeutsam den Kopf nach der Kellnerin
die sich bewegt, ihr eigenes Leben lebt
und Geräusche macht mit der Kaffeemaschine

Ich weiß nicht, wohin ich meine Gedanken führen soll
oder wer mir die Hand geführt hat
im fast vergessenen Kaffeehaus
diese leicht zitternde Hand:

das Auge schaute tief hinein
ins von Aussichten trübe, halbgeleerte Glas
und der Mops mit dem doppelten Kopf
– ruhendes Ufer im Fluß der Gedanken –
schnaufte neben mir auf der Sitzbank –
irgendwann rutschten wir unter den Tisch

… das ist jetzt sehr weit hergeholt:
  Blicke Gerüche Selbstverständlichkeiten
  unbeachtete Vormittage voller Erwartung
  Abende mit schwerer lederner Zunge

Der unsichtbare Mops (der vom Foto!) kotzt ab
denn ich kann für uns beide die Rechnung nicht mehr begleichen
und die Uhr tickt und die Kellnerin lebt
ihr eigenes, nicht in Worte zu fassendes Überleben…

Ich bin traurig unterhalb des Bewußtseins

(April / Mai 2021)

 


Kurzinterview mit dem Autor

Was bedeutet Literatur für dich?
Patrick Wilden: Als Wort ist es mir zu groß, zu exklusiv. Literatur ist bestenfalls das, wofür Lesende das Geschriebene hinterher halten. Fernando Pessoa, habe ich kürzlich gelesen, betrachtete Literatur als das Ziel aller menschlichen Bestrebungen. Schöner kann man es wohl kaum sagen, zumal es für uns Schreibende immer um alles geht. Oder mit Pessoa: „Sich bewegen heißt leben, sich in Worte fassen heißt überleben.“

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
PW: Cafés in einem weitgefassten, ‚französischen‘ Sinn, der Bars, Kneipen, generell Gaststätten einschließt, in denen vor allem getrunken, gequatscht, auch geschrieben wird, sind Orte der Möglichkeit – für menschlichen Austausch: für sich sein können und zugleich mittendrin. Dass sich das nicht von selbst versteht, wird einem erst dann schmerzlich bewusst, wenn Cafés unerreichbar sind. Etwas zutiefst Menschliches fehlt.

Warum hast du Combo Café Bar ausgewählt?
PW: Nach dem ersten Lockdown kam ich zum ersten Mal dorthin, um mich mit einer Redakteurin der Dresdner Zeitschrift „Der Maulkorb“ zu treffen, die in der Nähe wohnt. Der Retro-Look in den schrillen Farben und Formen der 70er Jahre, die ich als Kind noch gekannt habe, erschien mir passend. Es war eines der letzten Cafés, das ich vor dem zweiten, über ein halbes Jahr andauernden Lockdown besucht habe.

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
PW: Zur Zeit darauf warten, dass wieder eines öffnet.

 

BIO

Geboren 1973 in Paderborn, Schulzeit im Raum Kassel und Studium in Tübingen. Lebt seit 2004 in Dresden, wo er viele Jahre in einem Antiquariat gearbeitet hat und zur Zeit in einer großen Bibliothek jobbt. Schreibt Gedichte, Kurzprosa, Rezensionen und ist Redakteur der Zeitschrift „Ostragehege“. Zuletzt erschien als „Raniser Debüt“ der Gedichtband „Alte Karten von Flandern“ bei Lese-Zeichen in Jena 2019.