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Beata Umubyeyi Mairesse | La Diplomate, Bordeaux

Foto: Alain Barbero | Text: Beata Umubyeyi Mairesse | Übersetzung aus dem Französischen: Martina Jakobson

 

Es gibt Orte, deren bloßer Name die Erinnerung an einen bestimmten Augenblick hervorrufen, so erging es mir mit dem Teesalon „La Diplomate“.  Dabei ging ich dort nur sporadisch hin. Das erste Mal beeindruckte mich der Teesalon 2014.  Ich war mit zwei Freundinnen verabredet, um ihnen ein Projekt vorzustellen, das mir schon lange am Herzen lag: in Bordeaux einen afro-karibischen Lesezirkel ins Leben zu rufen. Es war Spätsommer, und diese Marguerite Duras-Atmosphäre, gedämpft und kühl (wegen der Steinmauern der Altstadt-Gebäude), das schien wie geschaffen für eine flammende literarische Unterhaltung. Sie teilten meine Leidenschaft und unsere unterschiedliche Herkunft bot einen unendlichen Horizont an Lesestoff. Ich war hochschwanger und deshalb vereinbarten wir, dass die Treffen des neuen Buchclubs im Herbst beginnen sollten. Mein Sohn kam am nächsten Tag zur Welt, und der Lesekreis wurde im November gegründet. 
Ich ging wieder in den Teeladen „La Diplomate“, um Tees und Kräutertees zu kaufen, hatte aber keine Zeit mehr, um zu verweilen, und so schwor ich mir, es nachzuholen, wenn die Kinder älter wären. Ich verließ den Laden mit Duftsäckchen, deren Namen von Städten aus aller Herren Länder den Hauch der großen weiten Welt verströmten und deren Besitzer diese poetische Beschreibungen hinzugefügt hatten. Am meisten liebe ich diese hier wie:

Kigali (Grüner Rooibos, Eisenkraut, Orangenschalen, ganze Himbeeren, Johannisbeeren, Ringelblumenblüten, Passionsblume, Apfelstücke): „Land der tausend Hügel, der endlich wiedergefundene Frieden, eine Hommage an die Zärtlichkeit der Seele, in der die Weiblichkeit Mutter und Licht ist“.

Sansibar (Grüner Tee Sencha, Erdbeerstückchen, ganze Himbeeren, Rosenblätter und Rosenknospen): „Afrika, Asien, die Feluken warten auf die Abfahrt nach Ceylon, die Segel blähen sich“.

 


Interview mit der Autorin

Was kann die Literatur tun?
Beata Umubyeyi Mairesse: Als ich mit dem Schreiben meines ersten Buches begann, bin ich in einem Text von Zadie Smith über David Foster Wallace auf diese schöne Antwort gestoßen, die ich mir zu eigen gemacht habe „Gute Literatur ist dazu da, gestörte Menschen zu trösten und bequeme Menschen zu stören“.

Wie wichtig sind Kaffeehäuser für dich?
BUM: Es ist ein uneingelöstes Versprechen. Ein Buch, ein Tee, wiedergefundene Zeit.

Wo fühlst du dich zu Hause?
BUM: Dort, wo mich niemand fragt, woher ich (in Wirklichkeit) herkomme.

 

BIO

Beata Umubyeyi Mairesse ist in Ruanda geboren und aufgewachsen. 
Sie hat 15 Jahre lang Projekte zur Gesundheitsprävention in Frankreich und im Ausland koordiniert. 
Seit 10 Jahren veröffentlicht sie Kurzgeschichten, Gedichte und mehrfach ausgezeichnete Romane. Zuletzt erschienen: ein Album für junge Leser (Peau d’épice, Éd. Gallimard jeunesse, 2023), ein Gedichtband (Culbuter le malheur, Éd. Mémoire d’encrier, 2004) und eine Erzählung, Le Convoi (Flammarion, 2024). Letztere wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Prix de l’essai France Télévision und dem deutsch-französischen Franz Hessel-Preis.

Blog Entropy, Barbara Rieger, Alain Barbero, Lisa-Viktoria Niederberger, Teesalon Madame Wu, Linz

Lisa-Viktoria Niederberger | Madame Wu Teesalon, Linz

Foto: Alain Barbero | Text: Lisa-Viktoria Niederberger

 

Schau hin und reflektiere. Vergiss alles sofort wieder, oder nimms dir mit für ewig. Sag mir später gerne, dass du dich wiedergefunden hättest in einem Text, oder eben nicht. Sag beim nächsten Spaziergang zu deiner Begleitung: die Niederberger, die vergleicht in einer Erzählung die Rinde von Platanen mit Dinosaurierhaut. Und dann greif die Rinde an, schau wie knallgelb und quietschgrün der Baum, die Flechten, und überhaupt Quietschen: hast du schon einmal junge, hungrige Falken gehört? Wie sie schreien, wie sie quietschen dabei. Dass sie klingen wie eine rostige Kurbel, eine rostige Kurbel für Markisen. Du weißt schon, diese braun-orange- gestreifte Markise, die alle kennen. Spekulier mit mir: Murakamis Aufziehvogel, er muss Falke sein. Ich mag, dass du dich fragst: stimmt das alles, was sie erzählt? Dass die Niederberger sich echt stundenlang auf Bäume setzt, wenn sie über Baumbesetzung schreibt, stundenlag Notizen abtippt und dann drei Viertel vom Text wieder löscht? Merk dir Fakten, finde Buchtipps durch Intertextualität. Hab Gefühle, sei wütend mit mir. Wir sollten alle wütender sein. Irgendwann reden wir darüber, ob wir an den selben Stellen meiner Texte heulen müssen. Dass du innehältst will ich. Dass du genau hinschaust, genau hinliest. Aber auch, dass du mit mir Pause machst, vom Alltag. Dass du was lernst. Dass ich was lerne mit der Recherche und von meinen Figuren und ihren Entscheidungen. Dass sie die Fehler machen dürfen, die ich mich selber nicht lass. Dass sie unsere was-wäre-wenns sein könnten.  Und dass wir mitgestalten, verändern, fließen, inspirieren. Fabuliere: wenn dir mein Ende nicht gefällt, denk dir dein eigenes aus und erzähl mir davon. 

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich? 
Lisa-Viktoria Niederberger: passiv: Bildung, Abtauchen, Ausblenden, aber auch: die Lebenswelten anderer verstehen lernen dürfen. Aktiv: ein Privileg, primär. Dass es Menschen gibt, die ihre Zeit (und ihr Geld) dafür verwenden, das zu lesen, was ich geschrieben habe, ehrt mich, macht mich manchmal stutzig.  Es bringt aber auch Verantwortung mit. Ein Privileg ist natürlich auch, überhaupt die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu haben, künstlerisch arbeiten zu können. Weil:  besonders am Anfang ist das nur prekär.  

Welche Bedeutung haben Cafés für dich? 
L-VN: Sie sind mir der liebste Arbeitsplatz, schon seit der Schulzeit. Was wir Physikstunden in Kaffeehäusern verbracht haben, mit Tschick und Büchern und Tratschen. Ich mag die Geräuschkulisse, das Beobachten und Zuhören. Aber auch: das Belohnen nach dem Schreiben/ Lernen mit Getränken oder Kleinigkeiten zum Essen, die’s zuhause halt einfach nicht gibt. 

Warum hast du den Madame Wu Teesalon ausgewählt?
L-VN: Ich wohne noch nicht sehr lange wieder in Linz, ein wirkliches “Stammcafe” wo ich zum Arbeiten hingehe, hab ich noch gar nicht. Mit der Madame Wu verbinde ich eine sehr schöne private Erinnerung. 

Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
L-VN: Derzeit zuhause arbeiten. Es geht eh, halbwegs. Lesen. Zu viele Zoom Calls. Und natürlich Spazierengehen:  mit täglich sinkender Begeisterung. Mich zu Lesungen oder ins Kino träumen. 

 

BIO

Lisa-Viktoria Niederberger, geboren 1988 in Linz, hat in Salzburg Kunstgeschichte und Germanistik studiert und als Redakteurin der Literaturzeitschrift erostepost und beim freien Radio gearbeitet. Das literarische Debüt „Misteln“ ist im März 2018 in der edition.mosaik erschienen. Talentförderungsprämie des Landes Oberösterreich für Literatur 2019. Gegenwärtig Studium der Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz und freiberufliche Arbeit an diversen literarischen Projekten.