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Robert Schindel | Café Prückel, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Robert Schindel, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Krähen

Des Winterhimmels schwarze Tränen
Beregnen das ansteigende Schneefeld
Das mir entsteht, als da ich mich zusammenräume
Und adjustiere und dann links und rechts
Die Leute grüß, bis ich mir meinen Tod zusammenträume.
Dazwischen tritt die Welt
Aus meinen Adern. Ende des Geschlechts
Von Hüttenzauberern, Palästenkriegern.
Genossen, die Genossen sind, von diesen und von jenen
Lassen fließen ihre purpurroten Tränen.
So leert der Winterhimmel sich und seine Flocken
Stürzen aus ihm, bedecken mir mein Feld
Sodass, wenn Krähen Kurs nach oben nehmen
Ich grüßend eile, um an ihnen anzudocken.

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Marianne Gruber | Café Central, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Marianne Gruber, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Da sitzt er noch immer im Café und hört den Leuten zu, die er so gar nicht mag und in der weiblichen Form so sehr liebte. Manche beachten ihn nicht, manche bestaunen ihn, hin und wieder streichelt eine Hand über seinen Kopf.

Er, der Liebende, der genialische, der Wütende, der Thomas Bernhard-Vorläufer.

Freiheit der Völker, Freiheit der Menschen, Freiheit überhaupt, schrieb er und murmelt es vor sich hin, er ganz Peter Altenberg.

 


Interview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Marianne Gruber: Literatur bedeutet einen möglichen Erkenntnisgewinn,  bedeutet mein erweitertes Leben und eine lebenslange Liebe.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
MG: Kaffeehäuser sind mein bevorzugter Kommunikationsort und immer Katalysator für neue Ideen. Viele Notizen sind dort entstanden. (Meine guten Freunde wissen es, wenn ich nach Papier und Bleistift suche, daß sie mir irgendein Stichwort geliefert haben und sind dann für fünf Minuten ganz still.)

Warum hast du das Café Central gewählt?
MG: Peter Altenbergs wegen, der mir manchmal ein Stichwort geliefert hat.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
MG: Wenn ich nicht im Kaffeehaus bin, sitze ich zu Hause bei einer Tasse Kaffe und schreibe.

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Gustav Ernst | Café Engländer, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Gustav Ernst, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Helmut Eisendle, Gert Jonke und Werner Kofler sagten, sie würden sicher noch vorbeikommen: Helmut auf ein Krügel, Gert auf einen doppelten Espresso, Werner auf ein Pils.
Auch Elfriede Gerstl wollte noch vorbeischauen, auf ein Achtel.
Ich warte immer noch.

 


Interview mit dem Autor

Was bedeutet Literatur für dich?
Gustav Ernst: Ein lustiges Gezwitscher aus der Hölle.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
GE: Anwesend und abwesend inmitten der Brandung.

Warum hast du das Café Engländer gewählt?
GE: Wo mir Freunde ans Herz wuchsen.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
GE: Mir den Kaffee im Kaffeehaus verdienen. Und das Glas Wasser.

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Susanne Gregor | Café Phil, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Susanne Gregor, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

Wir bestellten Grüntee. Jedes Mal, wenn die Tür aufging, sah ich auf. Ich hatte keinen Plan. Nichts, das ich László hätte sagen wollen. Ich wollte bloß die Straßen sehen. Die staubigen, altgrauen Gebäude. Die Risse in den zerfallenden, gesprayten Mauern. Das blassgraue Grün der Bäume. Die Augen der Menschen hier. Ihre Münder, ihre Sprache. Ich wollte etwas entschlüsseln. Meine Hände strichen gerade über die unebene Tischplatte, als er es sagte. Du wartest auf jemand anderen, sagte er.

 


Interview mit der Autorin

Was bedeutet Literatur für dich?
Susanne Gregor: Literatur ist für mich die schönste Kunstform, weil ich die Sprache liebe, sie ist für mich außerdem die beste Übung in Empathie sowie eine Art, Geschichte und die Zeit, in der wir leben, für die nächsten Generationen festzuhalten.

Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
SG: Kaffeehäuser bieten für Autoren die beste Möglichkeit, Menschen zu beobachten und Gespräche zu belauschen. Außerdem garantiert die Schreibarbeit im Kaffeehaus, dass einen nicht das plötzliche und dringende Bedürfnis überfällt, die Wohnung zu putzen, anstatt am Roman zu arbeiten.

Warum hast du das Café Phil gewählt?
SG: Ich habe das Café Phil gewählt, weil Wien selbst klassisch genug ist, da suche ich gerne modernere Lokale auf. Außerdem gefällt mir die Mischung aus Buchhandlung und Café, aus verweilen und lesen.

Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
SG: Das ist leicht: Wenn ich nicht im Kaffeehaus bin, bin ich am Spielplatz mit meiner Vierjährigen.

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Andrea Zámbori | Café Die Liebe, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Andrea Zámbori

 

Ich liebe die Diebe,
die in einer Beziehung
so heiter weiter stehlen.
Die genommene
und gleich gegebene,
neugeborene Geborgenheit.

 


Interview mit der Autorin

Welche Bedeutung hat Literatur für dich?
Andrea Zámbori: Literatur ist für mich ein freies, spielerisches Land, das aus Fantasie gebaut wird. Entspannung und Grund für meine Träume.

Welche Bedeutung hat “Kaffeehaus” für dich?
AZ: Wie ein tiefes Einatmen und langsames Ausatmen.

Warum hast du „die Liebe“ gewählt?
AZ: Es ist jugendfrisch, kunstfreundlich und strahlt Lebensfreude aus. Und nicht zuletzt kann man hier lecker frühstücken.

Woran arbeitest du gerade?
AZ: An mir. Das wird eine lebenslange Arbeit sein. Und ich arbeite gerade an einem Illustrationsprojekt. Das Buch ist für 2018 geplant.

 

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Lissi | Das Augustin, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Anna Robinigg

 

Zum Fenster hinaus und
alles still, das Haus bewegt sich nicht,
keine Straße zieht vorbei, nur
gemächlich Menschen, Schritte, Räder.

Zum Fenster hinaus und
alles neu, Mauern, Sprache,
Bäumchen, Wiesenfleck,
Gesichter, alles stumm.

Keine andere Sonne, aber dem Licht
am Gehsteig fehlt die Kadenz
jenes anderen Moments, dem
gelben Blatt am Bäumchen fehlt
das Zerren eines jenen Windes.

Zum Fenster hinaus und
weil du fehlst, in meinen
Fingern die Fäden der Geschichten, die
aus Momenten einen Menschen machen.

Hinter dem Fenster bleibt
vertraut nur der Ablauf von
Ich hätte gerne, Bitte sehr und Danke,
dann der Klang von Löffel an der Tasse und

Kaffee.

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Jörg Zemmler | Café Stadtbahn, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Jörg Zemmler, auch in: „Melange der Poesie“ (Kremayr & Scheriau, 2017)

 

und es singen die lieder
der mut ist ein flieger
der mut ist kein diener
und der mut ist davor

 


Interview mit dem Autor

Wie trinkst du deinen Kaffee?
Jörg Zemmler:  Zuerst mal müde in der Früh nach dem Aufstehen. Mit Milch. Wenn keine Milch da ist, mit Zucker. Später am Tag gleich, wenn auch nicht oft. Fast immer mit Zigarette.

Wo schreibst du am liebsten?
JZ: Das Wo ist mir nicht so wichtig, viel mehr das Wann. Nämlich dann, wenn ich -inspiriert- bin, wie es so heisst, Klischee, aber was soll‘ s, ist halt so.
Und am liebsten habe ich dann fertiggeschrieben.

Woran arbeitest du gerade?
JZ: Effektiv arbeite ich gerade an mehreren digitalen Musikalben, die Tracks aus den letzten Jahren beinhalten werden. Weiters an der neuen Band Unkomfortabel mit Jörg Piringer.
Weiters zumindest theoretisch an einem literarischen Kurzfilm, der fast fertig ist, lyrischer Prosa und italienischen Gedichten.
Und daran meine 5-Kanalinstallation mit Livemusik und Texten unter die Leute zu bringen, d. h. Auftrittsmöglichkeiten suchen.

Jörg, was bringt dir die Musik?
JZ: Im besten Fall eine neue Welt, egal ob ich sie selbst mache oder anderen zuhöre. Wie ein Buch lesen und reinkippen. Am liebsten hab ich Instrumentalmusik, die kann alleine sprechen wie ein Bild.
Aber auch oft: Genervtheit in Bars oder Geschäften.

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Eva | Kleines Café, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Barbara Rieger

 

Wie eine Fremde sehe ich dich an:
Der Ort, zu dem du willst, ist im Moment geschlossen.
In der vererbten Tasche aus geputztem Leder liegt gepolstert die Erinnerung.
Weggeklickt die Nähe von Jahren, bist auch du schwarz und weiß.
Und wieder sind alle Plätze für dich frei.

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Barbara Rieger | Café Weidinger, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: Barbara Rieger

 

Jeder Tisch ist eine Insel in einem Meer der Zeit, über dem ein wenig Nebel liegt. Die Erinnerung verschwimmt. Menschen, die bleiben um zu gehen. Ein Student, der lieber billiger zu Hause isst. Liebende, die Zeitung lesen. Alte Hippies, die selber Zigaretten drehen. Arbeiter bei einem schnellen Bier. Arbeitslose Akademiker, die wissenschaftliche Texte diskutieren. Eine Frau, die nach zwei Spritzern geht und ein Mann, der daraufhin in einem Wettcafé sein Geld verspielt. Gäste, die nicht schnell genug bedient werden und sich anderorts verlieben. Blicke, auf die niemand reagiert. Es gibt kein W-Lan hier, es gibt nur Wein. Es gibt kein Leben, es gibt einen Billardtisch. Es gibt kein Rauchverbot, es gibt nur eine große Uhr. Es ist die Zeit, die niemals stehen bleibt, nur manchmal etwas träger wird.
„Was verbindet uns mit diesem Ort?“, fragt A.

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René Merten | Alser Café, Wien

Foto: Alain Barbero | Text: René Merten

 

Nein, leicht war es nicht mit ihm.
Halb Bar, halb Lounge, ganz ohne… charakterlose Jugendkultur – und doch! Zwischen Mitessern aus Torte und Ganztagsfrühstück reift er heran: Zarter Bartflaum gegen die Altwiener Café-Generation.
Melange-braun gestylt seine Trotzfassade, aber im Inneren: Verängstigte Liebelei köchelt. Backfisch im Wochenmenü.

 


Interview mit dem Autor

Welche Rolle spielt Schreiben in deinem Leben?
René Merten: Schreiben hat bei mir vor allem eine künstlerisch-kommunikative Funktion und nimmt weniger eine „Rolle“ ein. Im Schreiben therapiere ich mich selbst, ritualisiert über das Verfassen täglicher „Morgenseiten“ oder akut, wenn im Kopf die wildesten Gedanken miteinander unrhythmisch herumtanzen wollen. Ich spreche so mit mir selbst wie auch mit der Außenwelt, die ich künstlerisch einzufangen und mit der ich Kontakt suche.

Wo schreibst du am liebsten?
RM: Am liebsten in der freien Natur, im gemütlichen Kaffeehaus oder an „inspirierenden“ Orten, aber – um ehrlich zu bleiben – am effizientesten und kreativsten: abgeschirmt in einem ruhigen Kammerl, auf einem anonymisierten Bibliotheksleseplatz oder im sterilen Fernzugabteil. Da, wo mich niemand kennt und nichts mich ablenkt – klingt wenig inspirierend, ist erfahrungsgemäß aber so!

Wann warst du das letzte Mal im Alser Café?
RM: Erst letzte Woche, davor aber fast zwei Monate nicht. Ich traf mich dort zu einem Geschäftstermin, weil es direkt ums Eck von meiner Wohnung liegt. Wie vermutet gedeiht sein Charakter leidlich, aber ich werde es als Kaffeehaus-Entwicklungsprojekt niemals aufgeben. Wenn wir uns weiter aneinander abarbeiten, werden wir (irgendwann) sicher noch die besten Freunde!

Woran arbeitest du gerade?
RM: Literarisch an zweierlei größeren Buchprojekten: Mit drei Schreibkolleginnen an einem Selbstcoaching-Ratgeber für Studierende und Absolventen/innen, der nicht im üblichen Management-Selbstoptimierungskäse daherreift. Vielmehr liegt unser Fokus auf dem Schreiben, kreativer Individualität und Persönlichkeitsentwicklung (soll März 2017 erscheinen). Das zweite Buchprojekt ist ein philosophisches Manuskript über den Garten an sich, vom Kinder- über den Wein- bis hin zum Kräutergarten: Warum gibt es ihn, was macht er mit uns, oder einfach gesagt: Was ist sein Wesen? (gerade im Lektorat).