Michèle Pedinielli | Café Librairie Les Parleuses, Nizza

Foto: Alain Barbero | Text: Michèle Pedinielli | Übersetzung aus dem Französischen: Georg Renöckl

 

„Wer Straflosigkeit sät, erntet Zorn“, „Vergewaltiger, wir sehen dich, Opfer, wir glauben dir“. Das sind Beispiele für die Slogans, die Maud und Anouk in ihrem Schaufenster plakatierten, als Innenminister Gérald Darmanin das künftige Kommissariat gleich neben ihrer Buchhandlung besuchte. Die Polizei kam sofort, um die Plakate abzunehmen und die Schaufenster dort abzudecken, wo es nicht möglich war, die innen angeklebten Plakate zu entfernen. Drei Stunden lang war die Buchhandlung Les Parleuses schwarz verhüllt, um den Blick des Ministers nicht zu stören… 
Dieser Grund ist der aktuellste, der mich diesen Ort lieben lässt, an dem ich mich endlich wie zuhause fühle: Bücher, Kaffee und Prosecco, was will man mehr? (Die Rente mit 60, aber das ist eine andere Geschichte). 

 


Kurzinterview mit der Autorin

Was kann Literatur? 
Michèle Pedinielli: Guttun hoffe ich, denn sie kann viel. Sie dringt ins Innerste des Lesers ein: Sie wühlt in den Eingeweiden, kitzelt das Herz, reizt das Hirn und manchmal – höchstes Glück – löst sie ein befreiendes Lachen aus. 

Was bedeuten Cafés für dich?
MP: Riesig. Mir ist das durch Covid bewusst geworden. Ich fühlte mich, als ob ein essenzieller Teil meiner Existenz amputiert worden wäre, der Leute um sich braucht. Leute, die ich nicht kenne, die wie ich bei einem Kaffee oder einem Glas sitzen. Leute, die ich anschaue und denen ich zuhöre. Und die manchmal in einem meiner Bücher wieder auftauchen. 

Wo fühlst du dich zu Hause?
MP: An einer Küste des Mittelmeers, umgeben von Schirmföhren. Das kann in Frankreich sein oder irgendwo sonst an seinem Ufer, solang es nur dieses Meer ist, das ich liebe, und es Oliven zum Apéritif gibt.  

 

BIO

Die im April 1968 geborene Michèle Pedinielli nimmt mit einem Monat an ihrer ersten Demo teil und beendet ihren ersten Roman 48 Jahre später. In der Zwischenzeit das Übliche: mit 18 aus Nizza flüchten, Journalistin in Paris werden, 22 Jahre später zurück nach Hause kommen, sich für ein Leben ohne Chef entscheiden, stempeln gehen, beim Festival Toulouse Polars Sud 2015 einen Preis für ihre Novelle bekommen. Und beschließen, einen Roman zu schreiben, um nicht zu sterben, ohne es versucht zu haben. „Boccanera“ kommt im Februar 2018 im Verlag Editions de l’aube heraus, gefolgt von „Après les chiens“ (2019), „La patience de l’immortelle (2021) und „Sans collier im März“ 2023.