Patrick Pécherot | Le Wepler, Paris

Foto: Alain Barbero | Text: Patrick Pécherot Übersetzung aus dem Französischen: Daniela Gerlach 

 

Das Foto wurde im Wepler aufgenommen. Eine Pariser Brasserie am Place Clichy, fast eine Institution. Ein Ort, der mit Erinnerung beladen ist, der sie aber nicht kultiviert. Weit entfernt vom Vintage-Stil, der so viele Orte in Kulissen verwandelt hat, die ins Auge stechen. Das Wepler besitzt richtige Tische, die sich gegen 18 Uhr mit weißen Tischdecken und dazu passenden Servietten schmücken. Aber schlürfen Sie weiter ihren Espresso oder Ihren Zitronentee, wir lassen Sie in Ruhe.
Ich mag das Moleskin des Lokals, den Zeitungsständer, die Glasfront, durch die man auf die Straße schielt, die Kellner in ihrer Livree, die Kunden, die weder ganz jung noch angesagt sind. Ich weiß nicht mehr, ob Maigret, als er untertauchte, dort Lammhals gegessen hat, aber es war im Wepler, wo Nadja an André Breton schrieb: „Sag, warum hast du mir meine Augen genommen?“. Didier Blonde erzählt das in seinem schönen Buch „Cafés, etc.“ Es ist mit Didier, mit dem ich ins Wepler komme. Wir trinken dort ein Bier, knabbern Brot und Olivenpaste, die dazu serviert werden, wir reden über das Schreiben, das Radio und die ganz kleinen Freuden. Gott lädt sich manchmal zu unseren Gesprächen ein. Er ist gar nicht prüde und sein Sohn liebte die Gasthäuser. Wenn wir wieder auf den Boden gleiten, dann, um dort Fantomas, Nestor Burma oder Arsène Lupin zu treffen, deren Schattenbilder an verregneten Abenden Geister spielen.
Bevor du das Foto machst, Alain, hast du mir über deine Arbeit erzählt. Ich mag die Worte der Arbeit. Ich hatte diesem Treffen zugestimmt, weil ein gemeinsamer Freund als Bindeglied fungierte. Ich war neugierig auf das Projekt. Seitdem frage ich mich, wie viele Worte die Autoren hastig auf einen Cafétisch gekritzelt haben, aus Angst, sie könnten wegfliegen. Aber mehr noch denke ich an die, die verloren sind, weil keine Bar, kein Bistro oder keine Brasserie ihnen einen rettenden Halt geboten hat.

 


Interview mit dem Autor

Was kann Literatur?
Patrick Pécherot: Die Frage verweist auf die Begegnung zwischen einem Buch und den Lesern. Auf einer Skala, die vom Intimen zum Globalen reicht, scheint mir die Literatur viel oder gar nichts zu können. Das macht sie zu etwas Rätselhaftem, wie alle Begegnungen. Auch zu einem „System“. Der Autor hat geschrieben, und es liegt oft nicht an ihm, ob das Buch lebt oder stirbt.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
PP: Cafés sind Orte der Träumerei und der Beobachtung. Man findet dort den menschlichen Teig, aus dem eine zukünftige Figur gemacht ist, die manchmal verschwindet, wenn man wieder draußen ist. Man kann ein Detail einfangen, das später wieder auftaucht. Oder einfach eine für das Träumen günstige Atmosphäre finden. Aber „zu bestimmten blassen Stunden der Nacht“, wie Léo Ferré sang, können Cafés auch Orte der stillen Brüderlichkeit sein.

Wo fühlst du dich zu Hause?
PP: Zunächst mal bei mir zu Hause, in meiner Höhle, meinem Kokon. Aber im weiteren Sinn bin ich überall zu Hause, wo die Orte zu mir sprechen und mich berühren. 

 

BIO

Patrick Pécherot, geboren 1953, hat rund fünfzehn Romane und Essays geschrieben. Sie brachten ihm mehrere literarische Preise ein (Grand prix de littérature policière, Prix Mystère de la critique, Trophée 813, Prix Transfuge, Prix Marcel Aymé). In den verschiedenen Genres, die er bedient (Kriminalroman, Roman noir, diverse Texte), zeigt sich seine Vorliebe für soziale Geschichte und deren Zeitgeist.
www.pecherot.com