Foto: Alain Barbero | Text: Elsa Flageul | Übersetzung aus dem Französischen: Daniela Gerlach
Unmöglich, in Cafés zu schreiben.
Unter Menschen zu schreiben. Mit der Musik zu schreiben, mit dem Radio, mit meinen Kindern. Unmöglich die Worte und Menschen zu verquirlen, die Worte und die Gespräche, das Geräusch der Kaffeemaschine, die herausgeputzte Bedienung, die Mamas ad libitum, die kleinen Kümmernisse, die zu trösten sind. Das Leben auf der einen Seite, die Worte auf der anderen. Und dabei müssen die Worte am Leben saugen, es greifen, es erwarten; sie müssen an der Straßenecke lauern, so mit einem Hauch von bösem Jungen, von bösem Mädchen: gib mir alles was du hast, los, erzähl mir alles was du weißt, was du sonst niemandem sagst, vor allem das, was du niemandem sagst, ey verdammt, worauf wartest du noch. Worte wie losgelassene Hunde. Die täglich Nahrung brauchen, vernebelte und vom Leben gebeutelte Morgen, fiebrige Abende und Körper, die sich finden, Entzücken und Gewitterstürme, die angeschwemmte Zeit auf dem Gesicht, auf der Brust, auf dem Herzen.
Die tägliche Nahrung.
Kurzinterview mit der Autorin
Was bedeutet Literatur für dich?
Elsa Flageul: Die gemütliche Einsamkeit des Lesens, und die nicht immer gemütliche, aber stets geliebte Einsamkeit des Schreibens.
Was bedeuten dir Cafés?
EF: Orte der Wärme, der Freude und der verlorenen Zeit.
Warum hast du das Bistro Chantefable ausgewählt?
EF: Weil ich die Pariser Brasserien liebe, die ich vielleicht wegen der Filme von Claude Sautet bevorzuge, und das Le Chantefable ist, außer eine typische Brasserie zu sein und in der Nähe meiner Wohnung zu liegen, voller Menschen, die so warmherzig wie der Ort selbst sind.
Was machst du, wenn du nicht in Cafés bist?
EF: Ich schreibe, ich kümmere mich um meine Kinder, ich lebe.
BIO
Elsa Flageul ist Schriftstellerin und lebt in Paris, wo sie auch geboren wurde. Sie hat sechs Romane im Julliard Verlag, danach im Mialet-Barrault Verlag veröffentlicht. Ihr letzter Roman „Hôtel du bord des larmes“ ist im März 2021 erschienen. Zur Zeit arbeitet sie an ihrem nächsten Roman.
https://c.entropy.at/wp-content/uploads/ElsaFlageul-BistroChantefable-185_Post.jpg9601440Alain Barberohttps://c.entropy.at/wp-content/uploads/entropy-logo.pngAlain Barbero2023-04-02 10:46:132023-04-02 10:46:13Elsa Flageul | Bistro Chantefable, Paris
Foto: Alain Barbero | Text: Assaf Alassaf | Freie Übersetzung: Rim George Hachicho & Daniela Gerlach
Und die Ampel ist rot (der Halt)
Ich stehe an der Verkehrsampel, warte zusammen mit den anderen, um die Seite zu wechseln, jene betrachtend, die mich in ihrem Warten umgeben: die junge Frau, die Griffe ihres Trolleys haltend, im Gespräch mit ihrer Freundin, der junge Mann mit orientalischen Gesichtszügen, der damit beschäftigt ist, auf sein Telefon zu schauen und seine Augen von Zeit zu Zeit auf die Ampel richtet, der große schlanke Mann in seinem eleganten Anzug, mit seiner schwarzen Ledertasche, der mit einer Handbewegung seine Armbanduhr unter dem Hemdsärmel hervorzieht, vier oder fünf Jugendliche mit ihren lauten Stimmen und ihrem Gelächter; wir teilen uns das gleiche Warten ohne uns über die vergehende Zeit zu beklagen.
Ich erinnere mich an die erste Zeit nach meiner Ankunft hier. Ich überquerte die Straße, das Rot ignorierend; aus keinem anderen Grund als dem der Weigerung, zu diesem Ort zu gehören, verstieß ich gegen seine unzähligen Regeln.
Das Überqueren der Straße war ein kleiner Test für das Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen mir als Individuum und der Gemeinschaft, in der ich lebe, zwischen dem freien Willen und der Unterordnung unter das Gesetz der Gemeinschaft. In diesem Moment des Aufbegehrens wurde ein kleiner skandalöser Akt, wie die Straße zu überqueren und dabei die Ampel zu missachten oder achtlos eine Zigarettenkippe auf den Boden zu werfen, unbewusst zu einem Akt des Widerstandes gegen das wachsende Gefühl des Identitätsverlustes und gegen das Zerrinnen der eigenen Seele, sodass die Identifikation mit den anderen und der Umwelt erschwert, zu einem Stachel, wurde, der in die verwundete Identität stach und dieses verdammte Ungleichgewicht noch vertiefte.
Die Ampel hat uns noch keine Erlaubnis gegeben!
Ich erinnere mich an eine andere Art von Aufbegehren, die ich in einem seichten Film gesehen habe, der die Geschichte eines bösen Prinzen erzählt, der mit Gewalt und Zwang bekam, was er wollte: Geld und Macht, Frauen und Kinder. Aber in dem Moment, als er eine Frau wirklich liebt, identifiziert er sich mit der allgemeinen menschlichen Natur und wünscht sich, so wie die anderen zu sein, also jemand, der sich den Normen der Gemeinschaft unterwirft; und so bittet er die Frau um ihre Einwilligung, ihn zu heiraten und ihre Kinder zu legitimieren, was dann sein Freibrief auf dem Weg hin zur Zugehörigkeit zur Gruppe, zur Nation und zum Volk, ihren Bräuchen und ihren Gesetzen wäre.
Auf dem Höhepunkt des Films, als die Frau versucht, dem Prinzen zu entkommen, nähert sich ihr seine Mutter, eine Hexe, berührt deren Lende mit ihren Fingern und sagt zu ihrem Sohn: Nimm sie jetzt gegen ihren Willen. Sie hat ihren Eisprung und ist mehr als an jedem anderen Tag fruchtbar und bereit für die Schwangerschaft.
Die Ampel ist immer noch rot!
Mich hat immer die Fähigkeit einiger Menschen erstaunt, die Natur und die Lebewesen, ihre Tagesabläufe, ihr Verhalten und ihre Handlungen sowie ihre kleinen, kaum wahrnehmbaren Veränderungen detailliert zu beobachten, als ob sie ganz auf den verborgenen Rhythmus des Lebens lauschten; und sie gestalten aus ihren Lauten und ihrem Schweigen und dem kosmischen Wissen heraus etwas, womit sie die Welt, die Leute und ein Stück Zukunft lesen, fernab der Pseudowissenschaft, des okkulten Wissens „al-mandab“ und der Alchemie.
Meine deutsche Freundin liest Wolken und Winde und weiß, ob jene ferne Wolke Regen bringen wird oder nicht, wann sie kommt und wie lange es regnen wird, ganz ohne GPS oder Google-Wetter! Dieses Wissen hat sie aus ihren langen Beobachtungen von Wolken und Regen in ihrer kleinen Stadt gewonnen.
Meine Freundin sagt über ihren Vater: Er hat ein Auge, „das sich nicht täuscht“. Es bestimmt das Geschlecht des Fötus im Mutterleib, noch bevor es ein Arzt und ein Ultraschallgerät bestätigen.
In meinem Dorf Muhassan gab es Anfang des letzten Jahrhunderts einen kultivierten Mann, einen Führer, der Deir ez-Zor und die ganze syrische Wüste kannte; es genügte, ihm die Farbe des Erdbodens und die Form ihrer Bäume und Felsen zu beschreiben, um zu wissen, um welche Gegend es sich handelte. Er las die Sterne und Windrichtungen während der Jahreszeiten, um die Hirten zu ihren abgelegenen Weiden zu führen, um die Spur von verloren gegangenen Menschen und Vieh zu finden und sie zu ihren Familien zurückzubringen. Er starb in den frühen fünfziger Jahren, und dieses Jahr wurde nach ihm benannt (das Jahr des Ali Kusa)
Nach seinem Tod gab es niemanden mehr wie ihn.
Es tritt ein kurzes Schweigen ein, die beiden Freundinnen hören auf zu reden und blicken gemeinsam zur Ampel, der elegante Herr sieht alle zwei Sekunden auf seine Uhr, der Mann mit den orientalischen Zügen lässt seine Hand mit dem Telefon sinken, und auch die Jugendlichen sind verstummt und haben ihre Hände aus den Jackentaschen genommen, des Lärms und des Wartens überdrüssig geworden.
Ich nähere mich dem Bordstein und meine Füße nehmen schon den Farbwechsel der Ampel vorweg, endlich bewege ich mich fort zwischen den Passanten, die wieder in ihr Stimmengewirr verfallen, und ich erinnere mich, mitten auf der Straße, dass ich – als ich Kind war – einem dieser Wahrsager begegnete, der mir etwas prophezeite, was mir damals nicht gefiel. An jenem Tag nahm ich mir vor, hart daran zu arbeiten, dass seine Prophezeiung sich nicht erfüllt. Ich habe mit diesem Unterfangen über Jahre Erfolg gehabt, aber je weiter ich auf dem guten Weg voranschritt und ohne es zu beabsichtigen, habe ich auch andere Menschen enttäuscht, besonders andere Frauen.
Original (Arabisch)
Kurzinterview mit dem Autor
Was bedeutet Literatur für dich?
Assaf Alassaf: Die unilaterale Literatur war schon immer ein Mittel, dieser Welt um mich herum einen Sinn zu geben. Sie ist wie ein kleines Werkzeug, das sich in die komplexen und überlagerten Schichten des Lebens gräbt, um siezum Zweck der Betrachtung, Analyse, des Dialogs und des Verständnisses in Form von Fragen und Ideen an die Oberfläche zu holen; und zum anderen, um der heutigen Komplexität unseres Lebens und seines Drucks gegen einen scheinbar sicheren Raum – wo aber letztendlich die ganze Gefahr liegt – zu entfliehen.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
AA: Um die Wahrheit zu sagen, ich habe eine kindliche und verträumte Vorstellung vom Café als alternativem Ort zum Zuhause und für eine kurze Zeit des Tages. Ein Ort, der es dem Individuum erlaubt, eine kleine Ecke zu finden, in der es sich nach Belieben einrichtet, wo es entdeckt, was es will und tut, was es will. Nach zahlreichen Erfahrungen und Besuchen in Cafés verschiedener Länder, scheint mir ein Gedanke die Zunge herauszustrecken und zeigt mir und meiner Wahrnehmung seinen ganzen Sarkasmus: Ihr geht hier an einen Ort, der nur von Vorübergehenden frequentiert wird.
Warum hast du das Eckkneipe-Café ausgewählt?
AA: Wenn die Corona-Pandemie die Welt geschlossen hat und uns in die Häuser ein-, mitsamt sozialer Distanz und Zoom-Meetings, dann hat sie leider und unglücklicherweise auch das Café in Kreuzberg geschlossen, in das ich früher gegangen bin. Also bin ich auf die nächstgelegene Alternative in meiner Umgebung ausgewichen – das war das Café Eckkneipe.
Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
AA: Ich habe viele Aufgaben und viel Verantwortung, die an mein Leben geknüpft sind: für meine Arbeit, die Familie und all die, die gerade in meinem Alltag wichtig sind. Und ich gehe dreimal pro Woche zum Volleyballspielen, das einen vorrangigen Platz in meiner Terminliste einnimmt.
BIO
Assaf Alassaf, geboren 1976 im syrischen Deir ez-Zor, studierte Zahnmedizin in Damaskus. Er arbeitete hauptberuflich als Zahnarzt und nebenbei als Journalist. Seit 2007 hat er zahlreiche Artikel in arabischen Tageszeitungen wie Al Hayat und Al Mustakbal veröffentlicht. 2013 zog er von Damaskus nach Nouakchott in Mauretanien, wo er als Zahnarzt tätig war, und 2014 nach Beirut, wo er in einem medizinischen Zentrum für syrische Flüchtlinge arbeitete. Heute wohnt er in Berlin. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Auf Facebook schreibt Assaf Alassaf seit 2013 literarische Anekdoten über die Revolution und den Krieg in seiner Heimat, über seine Reise nach Mauretanien, sein Leben im Libanon und die Zahnarztpraxis. Posts und Geschichten über „Abu Jürgen“, den deutschen Botschafter, entstanden in der Zeit zwischen November 2014 und Februar 2015 und wurden 2015 in der Übersetzung von Sandra Hetzl unter dem Titel „Abu Jürgen. Mein Leben mit dem deutschen Botschafter“ (Roman) im verlag mikrotext veröffentlicht. Anfang Januar 2016 erhielt er ein Stipendium für einen Gastaufenthalt im Literarischen Colloquium Berlin, von Mai bis Juli 2016 war er Stipendiat auf Schloss Solitude.
https://c.entropy.at/wp-content/uploads/AssafAlassaf-Eckkneipe-Post.jpg9601440Alain Barberohttps://c.entropy.at/wp-content/uploads/entropy-logo.pngAlain Barbero2022-04-09 08:47:442022-04-09 09:30:42Assaf Alassaf | Eckkneipe, Berlin
wenn ich sagen könnte,
steine wandern in der nacht
& wer ihren weg weist
hat einen wunsch frei.
was für eine vergeudung
an erdoberfläche wo
nebelwände schwebend blühen,
aller anziehungskraft zum trotz.
in dieser verschwommenen perspektive
erkenne ich ein leben,
das nicht mir gehört.
wolken ziehen vorüber
ich winke, es wird
ein langer abschied.
die steinzeit ist
die längste
periode unserer geschichte.
Kurzinterview mit der Autorin
Was bedeutet Literatur für dich?
Barbara Peveling: Literatur ist die Luft, die mein Gehirn zum Atmen braucht.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
BP: Cafés sind eine gute Sache. In Cafés kann man schreiben, lesen, Leute treffen und leckere Sachen verzehren, das Beste: man muss nicht aufräumen.
Warum hast du Café La Coopérative ausgewählt?
BP: La Coopérative steht für mich für die Vereinbarkeit von Literatur und kreativer Elternschaft. Hier gehen mein Partner und ich hin, wenn wir unsere Kinder in dem wunderbaren Musée en Herbe für einen Besuch oder ein Atelier abgegeben haben.
Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
BP: Muttersein und Schreibe
BIO
Dr. Barbara Peveling, Autorin und Anthropologin. Ihr Roman „Wir Glückpilze“ erschien 2009 im Verlag Nagel und Kimche, der Roman „Rachid Rebellion“ 2017 im Goldegg Verlag. Für ihre Arbeit erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien. Zusammen mit Nikola Richter gab sie 2021 die Anthologie „Kinderkriegen“ in der Edition Nautilus heraus. Barbara Peveling ist Redaktionsmitglied des Blogs otherwriters.de und des Podcast Medusa spricht.
https://c.entropy.at/wp-content/uploads/BarbaraPeveling-LaCoopérative-210.jpg9601440Alain Barberohttps://c.entropy.at/wp-content/uploads/entropy-logo.pngAlain Barbero2021-09-12 11:27:152021-09-12 11:27:15Barbara Peveling | Café la Coopérative, Paris
Schönheitspflaster an diesem Abend
sind ein Dutzend Austern.
Dabei glaubt sie, entweder zu gefallen
oder parfümiert unter den Armen die Zügel zu halten
von Behauptungen, durch die kein Weg führt,
der länger ist als eine Erwähnung.
Um den Hals das Perlencollier.
Das muss der Neid ihr lassen.
Sie hat schlanke Beine an ihrem Platz,
die jedes Mal ankommen.
Klappert mit Absätzen, Blockabsatz
an Stiefeln, an Tischbeinen,
unter Kronleuchtern.
Ihr gegenüber gibt er den Schnellkurs im Schulterzucken,
zieht einen Vorsprung aus dem Nichts,
will alles im Griff haben, während sie versucht,
mit den Augen zu atmen,
ohne den Überblick zu verlieren.
Sie servierte gern Sommer auf weißem Porzellan.
Den ganzen Sommer.
Was so ein Wunsch ist: nichts soll verloren gehen.
Nicht das Abendetui.
Auch nicht vertrautes Kopfschütteln.
Wie es sich anfühlt, dabei ertappt zu werden,
wenn das Herz in den Mund schwappt.
Mit geübtem Blick bringt sie im Spiegel hinter der Bar
ihre Zunge auf Hochglanz.
Da passt sie wie eine zweite Haut.
Kurzinterview mit der Autorin
Was bedeutet Literatur für dich?
Johanna Hansen: Eine freie Fläche fürs Flanieren der Gedanken. In jeder Lebenslage. Ganz besonders bei Schlaflosigkeit. Ratlosigkeit. Auch Trost und Erkenntnisgewinn. Muße. Vor allem aber: Herzraum. Mundraum. Luftraum.
Welche Bedeutung haben Cafés für dich?
JH: Sie spielen keine große Rolle mehr für mich, seitdem die Kaffeehauskultur, in der ich aufwuchs, um mich mit Freunden über alles und nichts auszutauschen, an so vielen Stellen und nicht nur in meiner Stadt verschwunden ist zugunsten von Coffee to Go Ketten.
Warum hast du Petit Rouge ausgewählt?
JH: Das Petit Rouge war die ideale Verbindung von Kaffee, Kuchen und Bistroküche, Chansons und origineller Malerei. Ein feiner, intimer Raum direkt um die Ecke, den ich gern aufsuchte, wenn ich Lust auf einen kurzfristigen Tapetenwechsel oder ein zwangloses Treffen zwischendurch hatte. Leider hat dieses kleine ungewöhnliche Café den Lockdown nicht überlebt. Das bedauere ich sehr.
Was machst du, wenn du nicht im Café bist?
JH: Tagsüber verbringe ich Zeit im Atelier, male oder schreibe, in den Pausen erhole ich mich bei Spaziergängen am Rheinufer, lese, abends schaue ich fern und ins Facebook und tauche immer mal wieder mit Kopfhörern bei youtube vor allem ins Musik-und Literaturprogramm ab. Außerdem organisiere ich meine Arbeit und kümmere mich um die Alltagsdinge. Ab und zu lade ich Freunde nachhause ein. Kurzausflüge zu Lesungen, Ausstellungen und anderen Kulturveranstaltungen kommen auch vor und bringen weitere Farben in mein Leben.
BIO
Kindheit am Niederrhein. Studium der Germanistik und Philosophie in Bonn. 1. und 2. Staatsexamen. Zunächst Journalistin und Lehrerin. 1991 Beginn der künstlerischen Tätigkeit.
Autorin und Malerin. Seit 1993 zahlreiche Ausstellungen, seit 2008 literarische Veröffentlichungen. Zuletzt: „Zugluft der Stille“, Edition offenes Feld 2020, 2019 Postpoetry-Preis NRW
Seit 2013 Herausgeberin der Literaturzeitschrift WORTSCHAU. www.wortschau.com
In Zusammenarbeit mit Musikern, Komponisten und Videokünstlern entstanden Performances, Poesiefilme und spartenübergreifende literarische, musikalische und bildnerische Projekte.
Foto: Alain Barbero | Text: Dominique Zay | Übersetzung aus dem Französischen: Iris Harlammert
Ein Foto, das uns angeht, das uns befragt, das uns auffordert, eine Emotion zu erleben – und wir haben die Wahl. Landschaften in Gesichtern, hier und anderswo, draußen früher oder später in einer Bar, ein Foto verströmt sowohl Stimmungen als auch Stille, die Unruhe als auch die Ruhe.
Dies ist eine Zauberei, die die Zeit anhält, um die Bewegung besser feiern zu können und die den Bruchteil einer Sekunde in Ewigkeit verwandelt.
Die Farben beneiden Schwarzweiß und nehmen uns mit auf eine Reise in Bildern. Obwohl sich nichts mehr bewegt, verändert sich alles. Die Welt ändert sich, wenn der Blick verweilt und – spürbar – wir ebenso.
Interview mit dem Autor
Was bedeutet Literatur für dich?
Dominique Zay: Ein Fenster, eine Lichtquelle, Widerstandskraft …
Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
DZ: Ein anderes zu Hause, wo ich Gast bin. Und außerdem eine großartige Show, bei der ich die Leute beobachte, ich erfinde ihnen Drehbücher des Lebens … unerschöpflich.
Warum hast du das „Ad´hoc Café“ ausgewählt?
DZ: Es war das Café, das mich ausgewählt hat: ich habe mich hingesetzt es erschien mir sofort so, dass die Welt wohl geordnet war, ganz einfach. Alles war an seinem Platz und ich ebenfalls, in Einklang.
Was machst du, wenn du nicht im Kaffeehaus bist?
DZ: Krimimessen, Comics, Gefängnisworkshops, und Schreiben, Schreiben …
Eigentlich bin ich wenig in Cafés, ich bin ein Einzelgänger, der versucht sich zu ändern.
BIO
Dominique Zay hat keine Kindheit gehabt, er ist direkt im Alter von 16 Jahren auf die Welt gekommen, in einem Zirkus. Später fand man ihn in den Kulissen eines Theaters und sein Konterfei erschien auf den Titelbildern von Kriminalromanen.
Seine Spur verlor sich am Rande eines Waldes.
Sein Name taucht wieder auf, weil er eine politische Partei gründete, die das „Ende von allem“ predigt. Im Jahr 2000 verweigert er den Nobelpreis für Unvollkommenheit. 2010 verabschiedet er sich vom Eiskunstlauf. 2013 beginnt er mit Comics.
Er ist nicht mehr zu stoppen, selbst Interpol hat aufgegeben.
Letztes Detail: Dominique Zay hat keine Ähnlichkeit mit George Clooney!
Foto: Alain Barbero | Text: Philippe Baudry | Übersetzung aus dem Französischen: Georg Renöckl
Unendliche Veralterung, die Langeweile räkelt ihre Ausschweifungen, Belieben des Wartens im exakten Mittelpunkt der Seele. Der Bierdeckel saugt das Elixir zuerst auf und sabbert dann den Überschuss auf den Lack, klebrige Gerstensaftringe in der perlmuttenen Dunkelheit.
Eindringender Nebel, bitteres Gift der Adern der Sorglosigkeit. Nichts hervorbringen, Unendlichkeit, getarnte Effizienz der Trägheit. Göttliches Geheimnis unserer Seelen, die das Absolute des unvermeidlichen Anderen suchen, hervorquillt langsam die erhabene Melancholie des bitteren Sehnens.
Instabiles Gleichgewicht der Seele, stummer Star, Lebenskäfig, ich strebe nach dem anderen. Blauer Himmel zerzaust von lachenden Wolken, keinerlei Talent für die Gewissheit, Notwendigkeit zu leben. So viele Idioten um uns… jemand werden. Also gut: sein genügt nicht?
Auflachen, provokant, gurrend vor Präsenz. Stück eines Theaters, einfach, des Lebens.
Schulterstoß: Luftzug der schlagenden Tür, geölte Scharniere, Gelächter, Klappern von Geschirr, das Café wird voller, kleine Tische. Menschensittiche übertreiben es mit dem existenziellen Getöse.
Batman, der Lakritz-Minz-Kater, wackelt mit einem buschigen Schwanz zwischen Stuhlsprossen und Füßen.
Ich ertrinke in menschlicher Trägheit, benommen von Glück…
Interview mit dem Autor
Was bedeutet Literatur für dich?
Philippe Baudry: Verblüfft, alle, durchqueren wir die Logik des Absurden unserer Leben; schreiben dient daher dazu:
– den alchimistischen Kreis aufzulösen
– den Reichtum unserer Sprache zu genießen, sie bis an die Grenzen eines subtilen und poetischen Verständnisses zu strapazieren; eine kleine innere Musik der Seele. Indem wir die Wörter hinunterstürzen, suchen wir ihr verschüttetes Geheimnis.
– in Resonanz mit dem Universellen zu treten und, befreit, sich selbst zu finden und sich den anderen zu öffnen
Welche Bedeutung haben Kaffeehäuser für dich?
PB: Kaffeehäuser, gemeinschaftliche Orte, an denen man in eremitischer Einsamkeit leben kann, mit den anderen, dem Außer-sich. Sich vergessen, von der langweiligen Beständigkeit seines Seins abweichen, Niemandsland des Wartens.
Warum hast du „Aux Sportifs“ gewählt?
PB: Pariser Großstadtkind aus der Banlieue in rauen Mengen… sich in einer echten, normal gebliebenen Café-Brasserie, wie es sie bald nicht mehr geben wird, unters Volk mischen:
Zwei Schwestern schaffen eine erstaunliche Vorstadt-Symphonie; Martha am Klavier (… am Ofen), Germaine, Kammer- und Wirtsstuben-Sängerin, eine Bianca Castafiore mit kristallenem Lachen. In Sachen Schlagfertigkeit würde ein Michel Audiard neben ihr wie ein Ministrant dastehen. Thomas, der Neffe, sucht vergeblich nach einem noch so kleinen Platz für Männer, während Lélé (Eleonora), einer Lithographie von Toulouse Lautrec entsprungen, mit leichter Hand für beeindruckende Effizienz sorgt.
Von dieser gutbürgerlichen Küche mit ihren überquellende Speisefolgen hätte ein Chirac hier alles verschlungen, eingehüllt ins anschwellende Getöse. Die Zeit vergeht… die große Szene des dritten Akts kippt in Hysterie, eine surrealistische Kakophonie.
Oft allein an meinem Tischchen, gelingt es mir, dort zu lesen, zum fünfzehnten Mal dieselbe Zeile, manchmal im Nahkampf mit Lélé… damit sie mir die Holztafel mit dem Tagesmenü, die mir als Lesezeichen dient, nicht wegnimmt… Jetzt reichts aber, die Tafel ist nicht dafür da!… Batman, der Lakritz-Minz-Kater, hat etwas zugenommen. Weltgewandt und ungezwungen holt er sich flüchtige angedeutete Streicheleinheiten ab. Nach so langer Zeit immer noch an ihrem Platz, hält die Matte des alten, hinkenden, längst toten Hundes die Anwesenheit und das Verschwinden der Erinnerung an früher fest…
Was machst du, wenn du nicht in einem Café anzutreffen bist?
PB: Geschichte, Schreiben, Tai Chi und Daito Ryo, Neo-Genealogie, Aquarell, Irrungen der Seele und andere spirituelle Exegesen
BIO
Philippe Baudry, geboren am 11. Januar 1953, Magister der Geographie, später Doktorand, hat sich zuerst in Richtung Graphik orientiert, eher er, spät, zu schreiben begann. Seine Feder versucht die Idee der Geographie selbst in ihrem lebendigsten Sinn zu rehabilitieren, an eine körperliche Sprache des Materials „Natur“ anzuknüpfen, den universalistischen Geist der Gelehrtenrepublik wiederzufinden.
Publikation: „Du côté d’Oléron…“ : Edition LOCAL Mai 2020
https://c.entropy.at/wp-content/uploads/201907-PhilippeBaudry-AuxSportifs-180_FB.jpg9601440Alain Barberohttps://c.entropy.at/wp-content/uploads/entropy-logo.pngAlain Barbero2020-06-14 12:07:172020-06-14 12:07:17Philippe Baudry | Aux Sportifs, Vanves
Foto: Alain Barbero | Text: Jean-Philippe Domecq | Übersetzung aus dem Französischen: Anna Robinigg
So saß unser Held also am Cafétisch, oh ja! Sehr in Anspruch genommen vom Spektakel dessen, was ihn umgab – obwohl es sich nicht um ein hinreißendes Schauspiel handelte, es waren nur die Kleinigkeiten, die das Alltägliche ausmachen (…). Es waren nur Wände, Gäste, Biergläser. Er bemerkte, dass er ein Glas vor sich hatte und seine Hand gleich daneben auf dem Tisch lag. Blasen im Bier. Er hob die Augen: nur Menschen! nur Anwesenheiten! Er lächelte: es war das bewegte Lächeln des Gelehrten am Anbeginn der Entdeckung, es war der Eindruck einer völligen Neuheit (…). Er besah sich den Abstand zwischen jenen, die alleine tranken – es waren wenige. Einige von ihnen waren voller Absichten, andere verschlossen. Man musste nur von unten zuhören. (…) die Menschen, die miteinander sprachen, nette Gespräche, (…) all dieses Sickern vom Mund zum Ohr, die Hin- und Rückwege mehr oder weniger schnell, die Prozession von Händen um Worte, die Oberkörper, die sich bogen, und vor allem das Hausieren von Blicken durch den Raum. Ohne sie wirklich zu hören – und zweifelsohne dank dieser momentanen Schwerhörigkeit -, nahm er die Andeutungen hinter den Gesprächen wahr, wie wenn sie Postskripte wären.
Und dann schaukelte sich sein Blick zur Glühbirne hoch, die oberhalb der Theke baumelte. Sie erschien ihm sehr schön, diese bauchige Glühbirne am Ende der geflochtenen elektrischen Leitung. Er sah sie hängen, wie noch nie eine Glühbirne hing. (…) Später, viel später, fand man ihn, wie er im Begriff war festzustellen, dass der Himmel dunkel war: Er befand sich auf dem Gehsteig und ging.
(Auszug aus Une Scrupuleuse aventure, éditions Papyrus, Paris, 1980)
BIO
Jean-Philippe Domecq ist der Autor von zwei Romanzyklen, «Les Ruses de la vie » und « La Vis et le Sablier » (Métaphysique Fiction). Cette Rue aus dieser Reihe erhielt den Prix du roman de la Société des Gens de Lettres 2007, und Le Jour où le ciel s’en va den Prix Tortoni 2011. Er ist auch Essayist, und er ist der Autor von Robespierre, derniers temps (Prix du Salon du Livre 1984), sowie der Comédie de la Critique über die zeitgenössische Kunst (Neuauflage 2015) und über die Literaturkritik (Qui a peur de la littérature? Neuauflage 2002, Prix international de la Critique du Pen-Club). Zu seinen neuesten Werken zählen : Le Livre des jouissances, Qu’est-ce que la Métaphysique Fiction ?, und La Monnaie du temps. Eine vollständige Liste der rund vierzig Veröffentlichungen bis heute findet sich auf: www.leblogdedomecq.blogspot.com
https://c.entropy.at/wp-content/uploads/201904-JeanPhilippeDomecq-LaMaisonBlanche-072.jpg600900Alain Barberohttps://c.entropy.at/wp-content/uploads/entropy-logo.pngAlain Barbero2019-09-25 20:53:272020-03-18 10:14:59Jean-Philippe Domecq | La Maison Blanche, Paris
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